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Das Land zwischen den Meeren

Das Land zwischen den Meeren

Titel: Das Land zwischen den Meeren
Autoren: Anna Paredes
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ich keine einzige Nachricht von dir bekommen hatte, glaubte ich schließlich, ich hätte dich unwiederbringlich verloren. Darunter litt ich sehr. Vermutlich ein Grund, warum ich nie geheiratet habe. Weil ich dich nicht vergessen konnte. Ach, Dorothea, Liebste, hätte ich geahnt, was wirklich geschehen war …« Alexanders Unterlippe zitterte, und er sah aus wie ein Kind, das sich verlaufen hat und den Weg nach Hause nicht mehr weiß.
    Dorothea zog seinen Kopf zu sich herunter und küsste ihn lange und innig. Und es kümmerte sie nicht im Geringsten, was der Kutscher von ihr denken mochte. »Erzähl weiter, Liebster, ich muss alles wissen.«
    »Ich wollte vergessen und meinen Schmerz betäuben. Deswegen stürzte ich mich in die Arbeit und bereitete meine Reise nach Costa Rica vor. Im Juli neunundvierzig bin ich hier an Land gegangen und habe ein Jahr lang das Grenzgebiet zwischen Nicaragua und Costa Rica bereist. Mein Buch wurde ein großer Erfolg, in fast allen großen Städten in Deutschland hielt ich Vorträge. Irgendwann bat mich mein Verleger, eine Fortsetzung zu schreiben. Vor wenigen Tagen habe ich meine zweite Expedition ins Landesinnere beendet. Jetzt kehre ich mit meinen Aufzeichnungen nach Deutschland zurück und werde dort über einen weiteren Band verhandeln.«
    Dann verstummten beide für eine Weile, tief erschüttert über das soeben Erfahrene. Empfanden Ohnmacht und Trauer, weil sie einem Irrtum aufgesessen waren, der ihre Lebenswege getrennt und ihnen die erträumte gemeinsame Zukunft genommen hatte. Sie klammerten sich aneinander wie Ertrinkende, noch immer tief bewegt von dem Wunder des unerwarteten Wiedersehens.
    Alexander ließ seine Lippen über ihre Wange gleiten und raunte ihr etwas ins Ohr, zärtlich und hoffend. »Mein Schiff nach Deutschland legt in zwei Wochen ab. Willst du nicht bei mir bleiben, Dorothea, wenigstens bis morgen früh, bis ich nach Puntarenas reite?«
    »Ja, die nächsten Stunden sollen uns gehören, uns ganz allein.« Ihre Antwort kam ohne Zögern, während ein tiefes Glücksgefühl sie durchströmte.
    Alexander wies den Kutscher an, in die Stadt zurückzufahren. Als er vor dem Hotel Arenal in einer Seitenstraße westlich des Parque Central anhielt, zog Dorothea ihr Skizzenbuch aus der Rocktasche, trennte ein Blatt heraus und schrieb hastig eine kurze Nachricht.
    Lieber Antonio! Der Polizeipräsident ist verreist, ich kann erst morgen mit ihm sprechen. Ich habe noch etwas Wichtiges zu erledigen und bleibe über Nacht in der Stadt. Gib den Kindern einen Kuss von mir. Dorothea
    Sie bat den Kutscher, den Brief zur Hacienda Margarita zu bringen und ihn Señor Antonio Ramirez Duarte persönlich auszuhändigen.
    Mit einer Entschlossenheit, die sie selbst in Erstaunen setzte, betrat sie das Zimmer, in dem ein fast mannshoher Reisekoffer den Zugang zur Tür halb versperrte. Als wären die Jahre, die sie bisher in diesem Land verbracht hatte, nur auf diesen Moment ausgerichtet gewesen.
    Alexander löste ihre Hutbänder und presste sie an seine Brust, in der sie sein Herz kraftvoll und ungestüm schlagen fühlte. »Wir gehören zusammen, Dorothea, haben immer zusammengehört«, flüsterte er mit seiner tiefen, rauen und warmen Stimme, bei deren Klang sie ein Schauer überlief. Diese Stimme hatte sie immer in sich getragen, dieses Timbre hatte sie so schmerzlich vermisst.
    »Sag meinen Namen noch einmal so, als sei ich die einzige Dorothea auf der Welt!«, bat sie zwischen seinen glutvollen Küssen, bei denen ihr schwindelig wurde und die doch nie, nie aufhören sollten.
    »Dorothea …«
    Sehnsüchtig schlang sie ihm die Arme um den Hals und seufzte leise auf, als er sie mit kräftigen Armen hochhob. Sie sacht auf dem Bett absetzte, ohne dabei die Lippen von ihrem Mund zu lösen. All die Jahre der Trauer und der unerfüllten Sehnsucht waren vergessen, ebenso Antonio, die Kinder, die Hacienda, die Casa Santa Maria. Mit einem Mal war sie wieder die zweiundzwanzig Jahre junge Frau, die zum ersten Mal liebte und geliebt wurde. Sie verspürte Leidenschaft, Hingabe und vollkommenes Glück. Wusste, dass sie nur sich selbst Rechenschaft über ihr Handeln ablegen musste. Alles, was innerhalb dieser vier Wände geschah, war gut und richtig. Und es war genau so, wie es immer hätte sein können.
    Alexander hatte bei der Wirtin, einer verwitweten Engländerin mit ausgeprägter Vorliebe für geblümte Vorhangstoffe und Tapeten, gefüllte Empanadas, frisches Obst und Wein bestellt und aufs Zimmer
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