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Das Land zwischen den Meeren

Das Land zwischen den Meeren

Titel: Das Land zwischen den Meeren
Autoren: Anna Paredes
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bringen lassen. Dicht aneinandergeschmiegt lehnten sie am Kopfende des Bettes. Durch das geöffnete Balkonfenster drang milde Abendluft herein. Aus einer benachbarten Bodega erklangen Lachen und Musik.
    » Ich möcht zum Augenblicke sagen, verweile doch, du bist so schön …«, murmelte Alexander und schnupperte an ihrer Schläfe, sog mit geschlossenen Augen den Duft von Lavendelseife in sich ein.
    »Goethes Faust, dein Lieblingstheaterstück. Ja, ich erinnere mich genau.« Zärtlich ließ sie die Hände durch sein zerzaustes langes Haar gleiten, wickelte sich eine Locke um den Finger und zog sacht daran. Dann strich sie behutsam über die lange wulstige Narbe, die sich vom Schlüsselbein bis unter die Achsel zog, hauchte unzählige Küsse darauf und dankte im Stillen den Ärzten, die die Kugeln aus der Schulter des Geliebten entfernt und ihm das Leben gerettet hatten.
    Alexanders Finger spielten mit dem Herzmedaillon an ihrem Hals. »Du trägst es immer noch?«
    »Ja, jeden Tag. Es schenkte mir Kraft, wenn ich mich schwach fühlte, tröstete mich, wenn ich weinte. Und es hielt die Erinnerung an sechs wundervolle Monate in einem früheren Leben wach. Ach, wenn du wüsstest, wie oft ich von dir geträumt habe, Liebster …«
    »Nenn bitte keine genauen Zahlen, es könnte sein, dass ich mir etwas darauf einbilde«, mahnte Alexander mit leiser Selbstironie. Er schob ihr eine Haarsträhne aus der Stirn, küsste den Ansatz und wanderte weiter zum Ohrläppchen. Dann ließ er seine Hand unter das Laken gleiten, fuhr über die weiche Haut an den Innenseiten ihrer Oberschenkel, bewegte sie langsam weiter nach oben. »Ganz ungewohnt, dass ich für mein frivoles Tun überhaupt nicht gescholten werde.«
    Dorothea gab ihm lachend einen Klaps auf die Finger. »Schäm dich!«
    »Hm, und wenn nicht?«
    »Das wirst du gleich sehen«, drohte sie scherzhaft und schob das Laken zur Seite. Im Schein der Kerzen sah sie die Erwartung in seinen flackernden Augen. Er beugte sich über sie, sein heißer Atem streifte ihre Wange.
    »Dorothea, meine Liebste, komm mit mir! Lass uns zusammen nach Deutschland fahren! Jetzt, da ich dich wiedergefunden habe, will ich dich nie, nie mehr gehen lassen. Wir kommen hierher zurück. Und dann werden wir gemeinsam das Land erkunden. So wie wir es vor langer Zeit geplant hatten.«
    Sie dachte nach. Für den Bruchteil einer Sekunde schwankte sie. Dann aber presste sie sich an ihn, kraftvoll und leidenschaftlich, und ihr Herz hämmerte laut. Plötzlich waren sämtliche Zweifel zerstreut, alles war so einfach und so folgerichtig. Raum und Zeit hatten sich verflüchtigt, es gab nur noch sie beide, ihr Flüstern, ihre Küsse, ihr Verlangen. »Ja, Liebster, ja. Ich werde mit dir gehen.«
    Schweigend blickte sie durch das Fenster in den Morgenhimmel hinaus. Er war von dem klaren, irisierenden Blau, das sie so liebte und das so unübertrefflich zu der Farbenvielfalt dieses Landes passte. Ein Blau, bei dessen Anblick ihr Herz seit dem Tag ihrer Ankunft immer wieder aufs Neue höher schlug. Sie schloss den obersten Knopf ihres Kleides. Alexander trat hinter sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter, küsste ihre Halsbeuge.
    »Warum bist du plötzlich so ernst, Dorothea?«
    Sie wandte sich um und schmiegte ihren Kopf an seine Brust, seufzte leise. »Bitte, verzeih mir, Liebster, aber ich habe mich gestern geirrt. Ich kann nicht mit dir kommen.«
    Seine Brust hob und senkte sich in schnellem Rhythmus, sein ganzer Körper bebte. »Aber wieso denn? Ich dachte, ich hoffte …«, stammelte er hilflos.
    Sie zupfte ihm eine Haarsträhne aus der Stirn, versuchte ein klägliches Lächeln. »Mir ist klar geworden, dass ich mich nicht für ein Jahr von meinen Kindern trennen kann. Ich habe Antonio versprochen, bei ihm zu bleiben und ihn zu schützen. Wie auch er mich schützt – auf seine Weise. Außerdem trage ich Verantwortung für die jungen Frauen. Sie brauchen mich zurzeit mehr denn je. Ich muss dafür sorgen, dass sie so schnell wie möglich in ihr Haus zurückkehren und dort weiterarbeiten können.«
    »Dann war die vergangene Nacht vielleicht auch ein Irrtum? Und ich hatte mir tatsächlich eingebildet, du empfändest noch etwas für mich. Was bin ich doch für ein Esel.« Seine Stimme bebte vor Verletztheit und Enttäuschung.
    »Bitte, sag so etwas nicht! Mein sehnlichster Traum ist gestern in Erfüllung gegangen. Denn ich habe den Mann wiedergefunden, den ich immer geliebt habe.«
    »Ach, und was habe ich nun davon?
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