Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02
Autoren: Anna Kendall
Vom Netzwerk:
konzentriert die Stirn. »Sie wollten… sie wollten…«
    »Wen?«
    Aus den Falten auf ihrem Gesicht wurden Schluchten, kleine Hügel, eine ganze Landschaft, die sich darum bemühte, eine Erinnerung zu erhaschen. Schließlich brachte sie hervor: »Den Hexenjungen. Den, der… der die Armee der magischen Illusionen gegen Lord Solek geführt hat. Der den Lord der Wilden getötet hat, als Königin Caroline herrschte. Sie suchen… sie suchen…«
    Ich hörte auf, sie zu schütteln.
    Ein letztes Zucken ging über ihr Gesicht, und sie stieß triumphierend den Namen hervor: »Roger Kilbourne!«
    Ich ließ ihre Schultern los. Sofort überkam sie wieder die Ruhe der Toten. Ich stand da und starrte auf sie hinab, und dann starrte ich auf nichts mehr.
    Ich erinnerte mich an die Vergangenheit, und genauso erging es der Armee der Wilden. Sie erinnerten sich auch an die Schlacht am Palast, in der das Blut ihres Anführers rot auf die grünen Kacheln von Königin Carolines Hof gesprudelt war. Sie erinnerten sich an die Armee, die ich in diese Schlacht geschickt hatte, vom Volk des Königinnenreiches als »magische Illusionen aus dem Hexenland« bezeichnet, von denen ich aber wusste, dass es eigentlich Soldaten waren, die ich für kurze Zeit aus dem Land der Toten zurückgebracht hatte. Jene Soldaten hatten nicht noch einmal getötet werden können und deshalb ungestraft gemetzelt. Die Armee der Wilden erinnerte sich an ihre Verluste und an den Tod ihres Häuptlings, und nun suchten sie nicht nur die Prinzessin, die ihnen versprochen worden war, sondern auch Rache.
    Sie suchten mich, Roger Kilbourne.

4
    Ich blieb nicht mehr lange im Land der Toten. Es erfordert weitaus weniger Schmerzen, den Pfad der Seelen zurück ins Land der Lebenden zu betreten, als die Reise in die andere Richtung; ich wusste nicht, weshalb. Es reichte aus, wenn ich fest auf die Innenseite der Backen biss.
    Dunkelheit …
    Kälte …
    Erstickender Dreck in meinem Mund …
    Würmer in meinen Augen …
    Erde, die meine fleischlosen Arme und Beine umschloss …
    Dann lag ich wieder auf dem grasigen Hügel bei Zwiekreuzen. Der Himmel war dunkelblau geworden. Die Zeit kann sich, wie die Landschaft, auf der anderen Seite ausdehnen oder verkürzen, und ich war stundenlang fort gewesen. Die ersten Sterne tauchten auf. Der neue Mond war eine dünne Sichel, die den alten Mond in schimmernden Armen wiegte.
    Etwas brach durch die Binsen am Ufer.
    Ich sprang auf. Die Schafe blökten, und die Lämmer, die an den Flanken ihrer Mütter eingeschlafen waren, quiekten und versuchten sich zu erheben. Der Wolf, der das Lamm von Samuel Brown geholt hatte? Ich zog mein Messer und wusste, dass ich ein Narr gewesen war, Maggies kleine Herde so weit nach draußen zu bringen zu so später Stunde. Es blieb keine Zeit, ein Feuer zu machen, und Peter Einhand konnte es nicht mit einem Wolf aufnehmen.
    Es war kein Wolf.
    Ein Hund brach zwischen den Binsen hervor. Er stürzte sich unmittelbar auf mich und leckte mir die Hand. Ein großer Hund mit kurzem grauem Pelz, einem kurzen Schwanz und einer riesigen Schnauze. Ich erhaschte einen Blick auf die Doppelreihe scharfer Zähne, aber da seine große rosarote Zunge hocherfreut über meine Finger schlabberte, war es unmöglich, sich vor dem Tier zu fürchten.
    »He, Junge, he…«
    Das Mutterschaf stieß einen schrillen, entsetzten Schrei aus. Ein Lamm kam unsicher auf die Beine und begann zu jammern.
    »Nein, alles in Ordnung, ihr dummen Viecher. Schaut, es ist ein guter Hund, nicht wahr, Junge?«
    Die Schafe machten immer noch Geräusche, die ich noch nie von Schafen gehört hatte. Der Hund achtete nicht auf sie. Das jüngere Schaf rannte fort, das dumme Gesicht verzerrt, und ließ sein Lamm zurück. Das Schaf war viel schneller, als ich erwartet hatte. Ich rannte hinterher– Maggie würde mich umbringen, wenn ich ein Viertel ihrer wertvollen Herde verlor– und packte das dumme Tier. Es war, als würde man auf eine Decke springen, die über rollenden Steinen lag. Wir kugelten beide auf dem federnden Gras herum, Schaf und Mann und dann auch Hund, der freudig mit an Bord sprang.
    »Runter! Runter mit dir!«, brüllte ich. Zu meiner Überraschung tat es der Hund und legte sich gehorsam ein paar Schritte entfernt nieder.
    Ich band dem immer noch entsetzten Leitschaf ein Seil um, warf mir das Lamm über den Rücken (was einhändig nicht leicht ist) und machte mich auf den Weg nach Hause. Das zweite Schaf und das Lamm folgten mir. Der Hund lief
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher