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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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bebten bei jedem japsenden Schluchzen. Sie weinte, als würde sie niemals aufhören.
    »Oh, Roger…«– sie nannte mich niemals Roger– »…es ist so ungerecht! Du willst, dass wir alles aufgeben, und ich habe all das für dich getan! Ich habe nur für dich gearbeitet, habe mich nur für dich so sehr mit dem Gasthaus bemüht, und du willst nicht mit mir ins Bett gehen oder mich lieben oder… Die Wilden werden dich dort draußen auf der Straße finden, und selbst wenn sie nach dir suchen, würde es ihnen nicht in den Sinn kommen, dass Roger Kilbourne sich an einem Ort wie diesem aufhält, nicht nachdem du in einem Palast und bei einer Königin gelebt hast, und… sie werden dich töten!«
    Ich habe all das für dich getan.
    Du willst nicht mit mir ins Bett gehen oder mich lieben.
    Wir werden alles verlieren, wenn wir jetzt gehen.
    Jeder Satz war ein Stein in meinem Mund, der mir die Kehle verschloss, mir schwer im Magen lag. Jedes Wort stimmte, und neben ihrer steinernen Beständigkeit schien mein Verlangen fortzugehen so wenig greifbar wie Nebel. Ich glaubte eigentlich nicht, dass wir hier in Gefahr waren, oder dass der Junghäuptling genug wusste, um mich in Apfelbrück zu suchen oder Roger Kilbourne in Peter Einhand wiederzuerkennen. Ich wollte Apfelbrück verlassen, weil ich hier so gelangweilt und ruhelos war. Weil meine Unzufriedenheit mit dem, was ich hatte, viel größer war als meine Dankbarkeit für das, vor dem ich verschont geblieben war. Weil ich nach wie vor und für alle Zeiten ein Narr war.
    »Weine nicht, Maggie. Weine nicht.« Ich konnte mich nicht dazu überwinden, um den Tisch herumzugehen und die Arme um sie zu legen. Aber ich konnte mich dazu zwingen, die nächsten Worte zu sagen, und das tat ich. »Du hast recht. Wir bleiben hier.«
    Beim Kamin hob der Hund plötzlich seinen riesigen Kopf und heulte.

5
    In dieser Nacht waren meine Träume besonders schlecht. So lebendig wie das echte Leben– nein, lebendiger.
    Ein flaches Hochlandmoor mit einem runden Steinhaus. In meinem Mund der Geschmack nach gebratenem Fleisch, saftig und fettig. In den Schatten jenseits meiner Fackel spüre ich Dinge, die man nicht sehen kann. Unmenschliche Dinge, Dinge, denen ich in diesem Land und in jenem anderen jenseits des Grabes niemals begegnet bin. Unter ihnen ist die Gestalt einer Frau, und die Stimme, die zu mir aus dem Dunkel herandringt, ist eine Frauenstimme. Ich kann das Glitzern einer juwelenbesetzten Krone erkennen. Die Frau ruft meinen Namen.
    »Aber du bist tot«, sage ich.
    »Tot seit elf Jahren«, sagt sie und lässt ein Lachen erklingen, bei dem mir die Knochen schaudern.
    Ich wachte im Schafstall auf, beim stechenden Geruch der Schafe und dem Blöken eines der Lämmer. Draußen wartete ein weiterer schöner Sommermorgen. Unten am Hügel führte Jack Lamberts hübsche Tochter ihre Ziegen zur Weide. Sie winkte mir zu. Ich winkte zurück, immer noch im Traum gefangen, und zupfte mir Stroh aus den Kleidern. Die Hühner gackerten aufgeregt in ihrem Stall. Jee kam aus dem Gasthaus, um Wasser vom Brunnen zu holen.
    Alles war wie immer, alles gewöhnlich. Nichts wies darauf hin, dass irgendwo im Westen eine Armee der Wilden eindrang und weitermarschierte.
    Der Hund hatte die Nacht damit verbracht, draußen vor dem Schafstall zu liegen, obwohl es nicht klar war, ob er es getan hatte, um die Tiere zu schützen oder sie zu fressen. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass der Hund ein Halsband trug, einen dünnen Lederstreifen in genau der gleichen Farbe wie sein kurzes, graues Fell. Ins Leder eingebrannt war ein bedeutungsloses Muster aus Schnörkeln. Ich verfolgte die Schnörkel mit den Fingern, während der Hund versuchte, den Kopf zu drehen und mich abzulecken. »Gehörst du jemand anderem, Junge? Na?«
    Er wedelte mit dem Schwanz.
    Solange der Hund hier war, wollten die Schafe ihren Stall nicht verlassen. Ich zog und schob und schlug auf die Flanke des Leitschafes ein und dann auf seinen dummen Kopf, aber es wollte sich nicht von der Stelle rühren. Alles, was mir meine Bemühungen einbrachten, war eine Stiefelsohle voller Schafsmist. Das durchkreuzte mein Vorhaben, sie unmittelbar zur Weide zu bringen und das Frühstück ausfallen zu lassen, um damit Maggie aus dem Weg zu gehen. Fluchend schloss ich die Schafe im Stall ein– vielleicht hatte Jee später mehr Glück mit ihnen–, wusch mir den Stiefel am Brunnen und ging in die Küche in der verzweifelten Hoffnung, dass es nicht noch mehr Tränen geben

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