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Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)

Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)

Titel: Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)
Autoren: Johannes Zacher
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Vorteil sein. Wenn Sie allerdings mit den Falschen kooperieren, ist es nicht nur ein Nachteil, dann ist es eine Katastrophe.«
    Bülent Ramsani sieht das erste Mal überrascht aus. Sein glattes, für einen Zirkusdirektor viel zu zartes Gesicht, verfinstert sich. Er ist nervöser als zuvor und verschüttet beim Eingießen ein paar Tropfen Tee auf der Tischdecke.
    »Wie soll ich wissen, was richtig oder falsch ist?«, fragt er.
    Ich lege meine Plastikkarte auf den Tisch neben die Teekanne, als sei dies Teil der Teezeremonie. Ich nehme einen kleinen Schluck Tee. Es ist Grün-Tee, leider schon zu lange gezogen. Er schmeckt bereits bitter.
    »Das liegt nicht an Ihnen«, sage ich. »Das liegt an der komplizierten Sachlage.«
    »Was für eine Sachlage?« Bülent Ramsani ist völlig verwirrt.
    Ich schildere ihm meinen Verdacht. Ramsani hört mir aufmerksam zu. Das Gesagte scheint ihm dennoch nicht geheuer.
    »Ich kann verstehen, dass Sie Zweifel haben«, sage ich und versuche mit Verständnis sein Misstrauen abzubauen.
    »Wem soll ich denn nun glauben?«, fragt er. »Woher soll ich wissen, wer von euch beiden der echte Polizist ist und wer nicht?«
    »Wir sind beide echt. Nur ist der eine ein Serienmörder und der andere versucht, ihn daran zu hindern, noch mehr Menschen umzulegen.«
    Ramsani atmet tief durch und zündet sich eine Zigarette an. Er scheint sich entschieden zu haben und fängt bereitwillig zu erzählen an. Als er fertig ist, fühle ich mich in meiner Befürchtung bestätigt und frage: »Ist das alles?«
    Er nickt. »Ja, ich glaube schon.«
    »Ab wann sollen Sie den Zirkus verlassen?«
    »Ab neun, hat er gesagt.«
    »Ab neun? Sicher?«
    »Sicher.«
    Jetzt ist es vier. Kleeberg ist vermutlich damit beschäftigt, weitere Vorkehrungen zu treffen, bei sich zu Hause oder woanders. Bis neun sind es nur noch fünf Stunden. Das wird knapp, verdammt knapp.
    »Okay, passen Sie auf, Herr Ramsani. Ich schlage vor, Sie fahren mit mir jetzt zum Präsidium.«
    »Aber warum denn? Ich habe doch schon alles …« Die Zweifel und die Besorgnis sind wieder zurück.
    »Keine Angst. Alles, was Sie mir bis jetzt erzählt haben, erzählen Sie noch einmal Dr. Wenger.«
    »Dr. wem?«
    »Dem Kriminaldirektor.«
    »Aber warum?«
    »Mir glaubt er nicht.«
    »Aber …«
    »Das erkläre ich Ihnen auf der Fahrt dahin.«

SIE
    Es schneit. Überall begegnen ihr Menschen ohne Physiognomie. Überall leere weiße Flächen wie ausgeschüttete Milchtüten, Pfützen aus Weiß. Weiße Löcher, in denen sie am liebsten verschwinden möchte. Alles Gespenster, Dämonen meiner Vergangenheit , denkt sie.
    Ist das nicht Hajo? Sie winkt. Hajo greift sich an den Kopf, zeigt ihr einen Vogel.
    Sie lacht, dann weint sie, bis jemand sie fragt: »Kann ich dir helfen?«
    Ist das meine Mutter? Sie schüttelt den Kopf, rennt davon, stolpert, stürzt, bleibt im Schnee auf dem Trottoir liegen. Sie dreht sich auf den Rücken, schaut zum Himmel, von dem weiße Flocken auf sie herunterrieseln. Sie sind kalt und weich. Sie fühlen sich gut auf ihrem Gesicht an. Sie öffnet den Mund und schmeckt Schnee. Es schmeckt nach Kindheit.
    Weißt du noch?
    »Nein«, sagt sie. »Nein!«
    Sie schweigt. Der Mund ist ein schmaler Streifen. In ihren Augen spiegelt sich eine weiße Schneelandschaft mit zwei dunklen Flecken. Einer davon ist ein zugefrorener See, auf dem sie Schlittschuh fährt, immer im Kreis herum. Mit Doreen an der Hand. Sie malen mit ihren Kufen Figuren ins Eis. Ein Herz. Ein Fragezeichen. Einen Ball. Ein Strichmännchen. Ein Strichweibchen. Das Eis knarrt wie eine alte Tür.
    »Gehen wir nach Hause?«
    »Ja«, sagt sie.
    »Auch wenn niemand auf uns wartet?«
    »Auch wenn niemand auf uns wartet!«
    »Sie ist bei Bewusstsein«, sagt jemand. »Hallo?«
    Über ihr taucht ein Gesicht auf. Sie sieht einen schmalen Mund, zwei braune Augen, eine spitze Nase.
    »Hài?«
    »Die ist betrunken«, sagt das Gesicht.
    »Soll ich Ihnen helfen?«
    Sie steht auf und rennt davon. Auf dem Gehweg bleibt der Abdruck ihres Körpers im Schnee zurück. Er sieht aus wie die Umrisse einer Leiche bei einem Mordfall. Sie streckt die Arme aus, legt den Kopf in den Nacken. Die Leute gucken ihr kopfschüttelnd hinterher. Der Himmel hängt bleiern wie eine graue Decke über ihr und droht alles unter sich zu begraben. Alles, was gewesen ist. Alles, was noch kommen wird.
    Alles.
    »Wo gehen Sie hin?« hört sie hinter sich.
    »Sterben«, sagt sie und verschwindet in der Dämmerung.

ER
    Seit einer
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