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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth
Autoren: Martin Cruz Smith
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einen silbrigen Strom von Spielmarken in ein mechanisches Zählgerät, eine Metallbox mit einer Kurbel. Er schrak zusammen, als Arkadi ihn um Feuer bat. Arkadi betrachtete sich in der blanken Seitenfläche des Geräts - einen blassen Mann mit strähnigem Haar, der etwas Sonne und eine Rasur nötig hatte, der aber sicher nicht so schrecklich aussah, daß sein Anblick die Art und Weise hätte erklären können, in der der Angestellte mit seinem Feuerzeug hantierte.
    »Haben Sie sich verzählt?« fragte er.
    »Das geht automatisch«, sagte der Angestellte.
    Arkadi las die Zahlen auf der Anzeige des Geräts: 7950. Fünfzehn Leinensäckchen waren bereits voll und fest verschnürt, fünf noch leer.
    »Wieviel ist das?« fragte er.
    »Vier Spielmarken für einen Dollar.«
    »Viermal … nun, ich bin nicht gerade gut im Kopfrechnen, scheint aber genug zu sein, um halbe-halbe zu machen.« Der Angestellte sah sich nach Hilfe um, und Arkadi sagte: »Nur ein kleiner Scherz. Beruhigen Sie sich.«
    Jaak saß am anderen Ende der Bar, lutschte Zuckerwürfel und sprach mit Julja, einer eleganten, in Kaschmir und Seide gekleideten Blondine. Eine Packung Rothmans und ein Exemplar von Elle lagen offen neben ihrem Espresso.
    Jaak schob einen Würfel über den Tisch, als Arkadi zu ihnen trat. »Die Bar nimmt nur harte Währung, keine Rubel.«
    »Ich lade euch zum Essen ein«, sagte Julja.
    »Wir bleiben sauber«, erwiderte Jaak.
    Sie lachte mit der Stimme einer Frau, die viel rauchte. »Ich erinnere mich, daß ich das auch schon mal von mir gesagt habe.«
    Jaak und Julja waren früher verheiratet gewesen. Sie hatten sich sozusagen dienstlich kennengelernt und dann ineinander verliebt - keineswegs ein Einzelfall bei dem Beruf, den beide ausübten. Sie hatte sich inzwischen verbessert. Oder er. Schwer zu sagen.
    Am Büffet lagen Sandwiches und Gebäck unter einer Reklame für spanischen Brandy aus. War der Zucker wohl aus kubanischem Zuckerrohr oder russischen Rüben hergestellt worden, fragte sich Arkadi. Er könnte sich kundig machen. Neben ihnen unterhielten sich Australier und Amerikaner mit monotoner Stimme. An den Tischen rundum buhlten Deutsche mit süßem Champagner um die Gunst der Prostituierten.
    »Wie sind sie, die Touristen?« fragte Arkadi Julja. »Meinst du ihre besonderen Vorlieben?«
    »Als Typen.«
    Sie ließ sich von ihm ihre Zigarette anzünden und atmete nachdenklich den Rauch ein. Mit einer langsamen Bewegung legte sie ihre langen Beine übereinander. »Ich persönlich habe mich auf Schweden spezialisiert. Sie sind kalt, aber sauber, und sie kommen regelmäßig wieder. Andere Mädchen kümmern sich um die Afrikaner. Da gibt es dann und wann einen Mord, aber im allgemeinen sind Afrikaner lieb und dankbar.«
    »Und die Amerikaner?«
    »Die Amerikaner sind alle ein bißchen verschüchtert, die Araber behaart und die Deutschen laut.«
    »Und wie steht’s mit den Russen?« Arkadi dachte an das, was Rudi einmal gesagt hatte: leidenschaftlich, melancholisch.
    »Russen? Mir tun die russischen Männer leid. Sie sind faul, zu nichts zu gebrauchen und ständig betrunken.«
    »Aber im Bett?« fragte Jaak.
    »Davon hab ich ja gesprochen«, sagte Julja. Sie sah sich um.
    »Es ist so billig hier. Hast du gewußt, daß schon fünfzehn Jahre alte Mädchen auf die Straße gehen?« fragte sie Arkadi.
    »Nachts kommen sie an die Zimmer, klopfen an die Türen. Ich verstehe nicht, warum Jaak mich gebeten hat herzukommen.«
    »Julja arbeitet im Savoy«, erklärte Jaak. Das Savoy war ein finnisches Unternehmen, einen Häuserblock vom KGB entfernt, das teuerste Hotel in Moskau.
    »Das Savoy behauptet, daß es dort keine Prostituierten gibt«, sagte Arkadi.
    »Genau. Es ist Klasse. Im übrigen schätze ich das Wort Prostituierte nicht.«
    »Putana« war das Wort, mit dem die für harte Währung arbeitenden Luxusprostituierten gewöhnlich bezeichnet wurden, allerdings hatte Arkadi das Gefühl, das Julja das Wort auch nicht mögen würde.
    »Julja ist Sekretärin und spricht gleich mehrere Sprachen«, sagte Jaak. »Eine sehr gute überdies.«
    Ein Mann im Trainingsanzug stellte seine Sporttasche auf einen Stuhl, setzte sich und verlangte einen Cognac. Ein paar Sprints, ein kleiner Cognac - ein probates russisches Mittel, um nach einer durchhurten Nacht wieder auf die Beine zu kommen. Der Mann hatte das struppige Haar eines Tschetschenen, trug es allerdings hinten lang und an den Seiten kurz, mit einer orangerot gefärbten, lockigen Strähne. Die
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