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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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durchlebte. Als sie schließlich zurückkam, um die sterblichen Überreste mit Felsen zuzudecken, war das Hunderudel bereits zur Stelle. Sie hatte zugeschaut und sich nicht abwenden können. Dann drängte sich Veries Gesicht zwischen sie und die Hunde. Saura runzelte die Stirn. Ted interessierte sich noch nicht für das Mädchen, und wenn sie ihn jetzt umbrachte, würde es niemals dazu kommen. Aber Verie brauchte jemanden, der sie schützte. Sie brauchte einen Mann.
    Ihre Hände lösten sich bei dem Gedanken an Verie; sie hatte sie zu Fäusten geballt gehabt. Wenn Ted zudem von Gott geschickt war, mußte dann Gott über seinen Tod nicht ärgerlich sein? Das Feuer im Herd flackerte noch einmal auf und erlosch. Saura zuckte die Achseln. Wenn er ihr und Verie etwas Böses hätte an tun wollen, wäre schon längst Gelegenheit dazu gewesen. Sie wandte sich um und trat in die Tür. Noch einmal sah sie zu Ted hinüber. Er stöhnte leise im Schlaf und bewegte sich unruhig. Als er wieder ruhiger schlief, ging sie zu ihrem Bett und kroch neben Verie hinein. Die Decken waren warm, und Saura erschauderte wohlig.
    In der Dunkelheit kurz vor der Dämmerung erwach te sie. Sie sprang aus dem Bett und trat leise zur Tür. Das Pferd wieherte, und sie hörte ein tiefes Knurren. Sie sah, daß Ted mit einem Knüppel in der Hand zur Tür stürzte.
    »Gehen Sie nicht hinaus!« rief sie. »Das sind die Wölfe!«
    »Mein Pferd ist da draußen«, knurrte er und riß die Tür auf.
    Saura sah, wie etwas durch die Dunkelheit auf ihn zusprang. Es war ihm eben gelungen, das Wesen niederzuknüppeln, als auch schon ein zweiter Angriff erfolgte. Saura nahm die Lampe, rannte zum Herd und entzündete sie. Das Licht erhellte auch den Hof, in dem es von schwarzen Gestalten nur so wimmelte. Das Pferd schrie. Saura rannte zur Tür. Kein Mann kam gegen eine solche Übermacht von Wölfen an. Sie wartete auf ihre Chance. Ted ließ seinen Knüppel auf den Schädel eines Angreifers niedersausen, doch schon sprang ihm ein anderes Tier ins Gesicht. Er riß schützend die Arme hoch, verlor das Gleichgewicht und ging zu Boden. Im Fallen warf er sich herum und trat nach dem Wolf. Saura schlug die Tür zu und brachte den Riegel wieder an. Ted war beim Angriff wieder auf die Beine gekommen. Das Tier war zu schnell, so daß er nicht mehr richtig ausholen konnte; doch mit einem kurz angesetzten Keulenschlag fegte er den Wolf beiseite und ließ einen gewaltigen Schädelschlag folgen. Der Angreifer wurde herumgeworfen und blieb still liegen.
    Ted fuhr zur Tür herum; als er erkannte, daß sie geschlossen war, sank er zu Boden. Er atmete keuchend, und sein Gesicht unter dem Bart war bleich. Er lehnte sich zurück und versuchte zu Atem zu kommen. »Vie len Dank fürs Türschließen«, sagte er.
    »Ich hätte sie auch geschlossen, wenn Sie draußen gewesen wären«, sagte sie. »Ein einzelner Mann wird mit den Wölfen niemals fertig.« Sie fragte sich, ob er nur dumm oder sehr mutig war. Das Pferd schrie noch einmal, und Ted versuchte aufzustehen, aber kam nur in die Sitzstellung. Er scheint wirklich an dem Pferd zu hängen, dachte Saura. Sie zuckte die Achseln. Na ja, jetzt kam er jedenfalls nicht mehr so leicht weg. Sie schürte das Feuer und bereitete den Wolf zum Häuten vor. Nach einiger Zeit wurden das Knurren und die Geräusche vor dem Haus leiser.
    »Was machen Sie da?«
    Saura blickte auf; der scharfe Ton seiner Frage verwirrte sie. Er starrte sie stirnrunzelnd an. »Ist doch Fleisch; oder!« fragte sie und machte sich wieder ans Häuten. Nach kurzem Schweigen stand er auf und nahm ihr das Messer ab. Sie zog sich zurück und sah ihm bei der Arbeit zu. Er löste die Haut mit schnellen, sicheren Schnitten, obwohl er die Tätigkeit ganz offensichtlich ekelerregend fand. Wolfsfleisch ist ein wenig zäh, dachte sie, aber es ist besser als gar nichts. Als er schließlich fertig war, zog schon der nächste Tag herauf. Er hielt inne, richtete sich auf und rieb sich den Hals.
    »Soll ich es Ihnen zurechtschneiden?« fragte er.
    Saura nickte und sah zu, wie er das Fleisch in Stüc ke trennte, die sich leicht braten oder kochen ließen. Sie ging zur Tür, öffnete sie und sah hinaus. Es war ein heller Morgen, und die wellige Hügellandschaft, die sie nach Osten hin sehen konnte, war mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Im Hof war der Schnee zu Schmutz zertrampelt. Die Wölfe waren verschwunden. Sie hatte bekommen, was sie wollte; er war jetzt an den Hof gefesselt. Er
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