Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch
Autoren: James Sallis (Hrsg)
Vom Netzwerk:
heiße Ted Brace«, sagte er. »Ich hätte gern ein Quartier für die Nacht und etwas zu essen.«
    Sie lächelte zurückhaltend. »Das ist ein komischer Name«, sagte sie.
    »Nicht halb so komisch wie Saura und Verie.«
    Ihr Lächeln erstarb. Sie fragte sich, ob er etwa auch nicht besser war als die Bande. »Wir haben Kartoffeln übrig«, sagte sie. »Und etwas Schweinefleisch ist auch noch da.« Sie betrachtete die Reste auf dem Tisch. »Ich könnte das aufwärmen, wenn Sie wollen.«
    Ted lächelte: »Das Fleisch sollten Sie lieber fürs Frühstück aufheben. Wenn die Kartoffeln heiß sind, eß ich die.«
    »Wenn Sie einen Augenblick warten wollen, schau ich sie mir gleich an.« Sie wandte sich um, verließ das Haus und ging zum Fenster. Mühsam stemmte sie den hölzernen Fensterladen vor die Öffnung. Wenn heute nacht die Wölfe kamen, sollten sie wenigstens nicht ins Haus. Sie lehnte den Laden gegen die Balkenwand und hielt ihn einen Augenblick mit dem Knie in Schwebe. In der Ferne war ein Heulen zu hören, nur ganz leise, aber es hörte sich an wie ein gefolterter Mann. Sie fragte sich, ob die Menschen, die von Wölfen gefressen wurden, in den Tieren verblieben und sie so traurig machten. Ehe sie den Fensterverschlag weiter anheben konnte, wurde er ihr von innen aus der Hand genom men und eingehakt. Sie ging wieder zur Tür und zöger te einen Augenblick vor dem Eintreten. Sie schauderte ein wenig zusammen, als sie an das Schicksal des Pferdes dachte. Dann ging sie ins Haus, legte den hölzernen Riegel in die Metallhalterungen vor das Fenster und verriegelte die Tür auf gleiche Weise.
    Dann blieb sie stehen und sah Ted an. »Danke«, sagte sie.
    »Keine Ursache.«
    Sie zuckte die Achseln, wandte sich wieder dem Herd zu und brachte eine Abdeckplatte an, die bei Ve ries Sturz heruntergefallen war. Sie öffnete die Backtür, langte hinein und prüfte eine Kartoffel. »Sie sind gar«, sagte sie.
    Ted ging zur Wand am Ende des Tisches, zog zwei Pfeile heraus, die dort steckten, und schob sie in seinen Köcher. Dann zog er seinen ledernen Regenschutz über den Kopf und hängte ihn neben den Bogen und die Pfeile. Schließlich drehte er sich um, hockte sich vor den Herd auf den Boden und nahm sich eine Kartoffel. Er bedeutete Saura, sich neben ihn zu setzen. »Ist das Ihr Mann da draußen?« fragte er.
    Saura nickte. »Das war Weed.«
    Saura berichtete ohne Hast von der Ankunft der Männer, nachdem Weed zum Holzholen gegangen war, und von den Ereignissen bis zu Teds Eintreffen.
    »Soll ich ihn hereinholen, bis wir ihn begraben können?« fragte er, eine halbzerkaute Kartoffel im Mund. Ein Brocken fiel zu Boden, und er nahm ihn auf und warf ihn in den Holzkasten.
    Saura beobachtete ihn, und sie spürte ihren Hunger. Wie verschwenderisch er mit dem Essen umgeht, dach te sie. Sie konnte sich nicht zu einem Entschluß durchringen. Wenn sie Weed hereinholen ließ, wurde er vielleicht mißtrauisch und brachte auch das Pferd ins Haus. Wenn sie es nicht tat, wurde Weed von den Wölfen gefressen. »Oh, er kann wohl ruhig da liegenbleiben.« Wenn ihn Ted nun trotzdem hereinholen wollte, konn te er das gern tun, aber es war dann seine ureigenste Entscheidung. Um seinem Blick auszuweichen, vertiefte sie sich in eine Betrachtung eines Herdbeins, das wie eine Adlerklaue geformt war.
    »Woher kommen Sie?« fragte sie.
    »Von Norden.«
    »Von Norden? Aber niemand kommt im Frühling von dort!«
    »Oh, ich aber schon.« Er sagte das mit einer solchen Bestimmtheit, daß sie sich nicht auf eine Diskussion mit ihm einlassen konnte; andererseits war sie sicher, daß weiter nördlich niemand mehr siedelte. Ted nahm sich eine zweite Kartoffel. »Wollen Sie keine?« fragte er und hielt sie ihr hin. Sie nahm sie und begann davon abzubeißen.
    »Wie haben Sie den Hof gefunden?« fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Es fing an zu schneien, und ich wollte mich nach einem Dach umsehen. Ich sah die Bäume hier, und als ich näherkam, sah ich auch Ihr Licht.« Er nahm wieder eine Kartoffel. »Ich will die Ruinen besuchen. Als ich noch klein war, hat mir mein Großvater immer davon erzählt, wie sie vor und nach dem Kampf gewesen sind – er hat beide Epochen mitgemacht –, und ich wollte jetzt selbst sehen, ob es wirklich so einen Ort gibt, wie er ihn beschrieben hat. Ich bin früh losgeritten, da ich vor Einbruch des Winters wieder auf dem Hof sein will.«
    »Es ist nicht mehr viel zu sehen«, sagte sie.
    Er blickte von seiner Kartoffel auf.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher