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Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Titel: Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman
Autoren: Johannes Scharf
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sich zu und begannen die langen, senkrechten Leitern hinaufzusteigen.

    Oben angelangt, setzte sich Erik in den Fahrersessel, ließ seine Liebste auf seinem Schoß Platz nehmen, breitete die Arme aus und flüsterte, vom Ambiente, der trauten Zweisamkeit, die ihrer harrte und dem Anblick des Firmaments überwältigt: „Voila!“ Vor ihnen lag ein prächtiges Sternenpanorama. Weder sie noch er hatten jemals auch nur Vergleichbares gesehen, denn Abertausende von Sonnen und Planeten prangten am wolkenlosen Nachthimmel. Sie schienen, aufgrund ihrer erhabenen Position, mitten unter ihnen zu sein.
    „Dort! Eine Sternschnuppe – wieder eine“, hauchte Scarlett glückselig und schmiegte sich fester an Erik. Da dürfe sie sich etwas wünschen, entgegnete dieser und wünschte sich selbst etwas: daß sie zusammenbleiben, heiraten und Kinder haben würden. „Du darfst aber nicht sagen, was Du Dir gewünscht hast“, bemerkte Erik und legte ihr seinen Zeigefinger sanft auf die Lippen, zum Zeichen, daß sie nun versiegelt seien. Sie hatten sich ohnehin dasselbe gewünscht. Es waren ja auch zwei Sternschnuppen gewesen...

    Es roch zwar nach Schmieröl und altem Industriefett, auch war der letzte Großputz hier oben wohl schon eine Weile her, doch von solchen Nebensächlichkeiten ließ sich das glückliche Paar nicht stören. Schweigend betrachteten sie eine Zeitlang gespannt den mit Sternen gespickten Nachthimmel in Erwartung, ob nicht noch eine Sternschnuppe vorbeiflöge, den vorangegangenen zu folgen und ihr Glück zu mehren. Dann gewahrte Erik ein ihm gut bekanntes Sternbild: das Kreuz des Südens.

    Gut bekannt war es ihm deshalb, weil er einmal vor Jahren im Erdkundeunterricht über dieses Sternbild und seine Position innerhalb des ungleich größeren Sternbildes Zentaur, welchem es zugerechnet wird, ein Referat hatte halten müssen. Er hatte es niemals zuvor sub divo – also unter freiem Himmel – betrachten können, da es von Mitteleuropa aus nicht zu sehen ist. Nun blickte er geradewegs darauf; es lag zum Greifen nah vor ihm. Das Schiff schien sich unaufhaltsam darauf zuzubewegen.

    Begeistert von dieser Entdeckung und entzückt von dem Sternbild, welches sich in der Realität so viel schöner ausnahm als auf Internetseiten und in Fachbüchern, hob er den rechten Arm und wies Scarlett mit dem Zeigefinger die Richtung, in welche sie ihre schönen Augen richten sollte. Dann sagte er leise, aber bestimmt: „Sieh mal, Liebling, das Kreuz dort vorn – die vier hellen Sterne, etwas diagonal, und den kleinen blassen Stern auf der Rechten.“
    Er schwieg für einen Moment, dann fragte er: „Siehst Du es?“ Sie gab ihm darauf keine Antwort, folgte aber aufmerksam den gestikulierenden Bewegungen, die Erik jetzt mit seinen Händen und Fingern vollführte, womit er den Gegenstand seines Interesses zu beschreiben suchte. „Du mußt Dir die Verbindungslinien dazwischen denken. Das ist das Kreuz des Südens“, sagte er und küßte ihr unwillkürlich auf die Wange, als sie äußerte, sie sehe es deutlich, oder nehme zumindest an, es zu sehen.

    Befriedigt lehnte sich Erik etwas weiter in dem harten, an und für sich unbequemen Sessel zurück. Wenn sie die senkrechte Achse des Kreuzes in Gedanken verlängere, sagte Erik andächtig, könne sie sich wie die alten Seefahrer anhand der Sterne orientieren, da diese Achse zum südlichen Himmelspol zeige. Weiter führte er aus, es liege inmitten des hellen Bandes der Milchstraße. Der Dunkelnebel südwestlich davon, der Kohlensack genannt werde, sei eine Materiewolke aus Gas und Staub, die 2000 Lichtjahre von der Erde entfernt liege und das Licht der dahinter stehenden Sterne absorbiere. „Lichtjahre“, murmelte Erik nochmals, so als könne er es selbst kaum glauben. Er hatte bei diesen letzten Worten sanft ihre Hand gegriffen und sie in jene südwestliche Richtung hin ausgestreckt, um ihren wißbegierigen Blicken den Weg zu weisen.

    Scarlett war begeistert von Eriks scheinbar umfangreichen Kenntnissen auf dem Gebiete der Astronomie. Das sei ja das Sternbild auf der Staatsflagge Australiens, rief sie vergnügt aus. „Und auch die Sternkonstellation auf der Fahne Neuseelands, Prinzessin“, warf Erik bestätigend ein und drückte Scarlett noch fester an sich. Prinzessin war ein Kosename, den Erik sehr häufig gegenüber seiner Liebsten gebrauchte, da er ihm von allen Namen am passendsten erschien. Sie sah eben wirklich so aus, wie er sich etwa Rapunzel oder Dornröschen aus der
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