Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Titel: Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman
Autoren: Johannes Scharf
Vom Netzwerk:
Körper zu zucken, als hätte er einen leichten Schlag bekommen, doch war dieser Schlag mehr ein Geistesblitz, denn er murmelte daraufhin, es sei nun soweit und lief in Windeseile ins Nebenzimmer, schloß hastig eine Schranktür auf, griff den darin stehenden Karabiner sowie die zusammenhängenden fünf Schuß Munition und eilte damit zur Haustür. Während er lief, legte er die fünf Patronen ins Schloß ein und lud rasselnd durch. Fünf weitere Schuß Munition hatte er sich in die rechte Hosentasche gesteckt, falls er noch dazu käme, was er allerdings kaum zu hoffen wagte.

    Er trat mit dem alten Karabiner 98k, der eigentlich in ein Museum gehörte, der aber noch immer seinen Zweck erfüllte, vor die Haustür und rief mit seiner tiefen, theatererprobten Baßstimme die Gruppe von Randalierern an. Sie sollten stehen bleiben, andernfalls sehe er sich gezwungen zu schießen. Bei diesen Worten legte er seine Flinte an, indem er sie fest an die Schulter preßte, neigte seinen Kopf etwas, so daß sich seine Wange an den hölzernen Gewehrschaft schmiegte, schloß bedächtig sein linkes Auge und nahm den ersten besten aufs Korn.
    Von drüben schlug ihm Hohnlachen entgegen. Einer der jungen Leute, er sah aus wie ein Marokkaner oder Algerier, rief Häberle zu, er solle sich davontrollen und sein Spielzeuggewehr fallen lassen. Seine Zeit sei um, die ihre habe begonnen, wenngleich er dies mit drastischeren Worten in der „Kanak-Sprak“ formulierte, so daß Häberle nun diesen vermeintlichen Rädelsführer anvisierte und – als er gewahrte, daß mehrere der Jugendlichen Handfeuerwaffen zogen – den Abzug betätigte.

    Man sah den Körper des Getroffenen fallen. Im selben Augenblick krachten drüben die Salven. Der Greis sank, von zwei Projektilen getroffen, in die Knie, lud aber nochmals durch, zielte und schoß erneut. Er fühlte abermals einen dumpfen Schlag in der Brust, ihm wurde kurz schwarz vor Augen. Er bekam kaum noch Luft, doch wieder zwang ihn sein eiserner Wille zum Durchladen und Schießen. Er verfolgte mit den Augen, wie sein zuletzt abgefeuertes Geschoß einem dieser üblen Subjekte, als die er sie betrachtete, einen Teil der Visage wegriß, worauf er dessen zunehmend verschwimmenden Umriß stürzen und zuletzt zuckend am Boden liegen sah.

    Drei hatte er niedergestreckt. Dann sank er – durchsiebt von Kugeln – auf den warmen Asphalt, roch den Gestank der brennenden Fahrzeuge, fühlte die Rechtschaffenheit seiner Tat und war glücklich. Er versuchte noch zu flüstern, er habe Zivilcourage bewiesen, womit er einen letzten Scherz anbringen wollte, aber er vermochte es nicht mehr zu sprechen, sondern dachte den Satz nur und bewegte ein wenig die Lippen. Dann starb er – mit einem zufriedenen Lächeln auf seinem Gesicht.

    ♦

    Der ukrainische Riese legte Erik unauffällig einen Schlüssel in die Hand, schloß die seine dann zu einem festen Händedruck, so daß der metallene Schlüssel auf der Handfläche des jungen Mannes einen ansehnlichen Abdruck hinterließ und Erik fast vor Schmerz gestöhnt hätte, was er jedoch unterband. Dann sah Wassilij den Jungen bedeutsam an und warnte in seinem osteuropäisch gefärbten Englisch, sie sollten sich bloß nicht erwischen lassen. Erik nickte.
    Mit „sie“ waren Scarlett und er selbst gemeint, denn er hatte Wassilij, mit dem er öfter mal an der Reling zusammenkam und mit welchem er sich seit der Überwindung der Seekrankheit allmählich angefreundet hatte, gebeten, ihm – wenn irgend möglich – einen Schlüssel für die Ladekräne zu besorgen, da er sich mit seiner Liebsten hin und wieder an einen Ort zurückziehen wolle, an dem sie nicht ständig von ungebetenen Gästen Besuch erhielten, was auf der Back leider allzu oft der Fall war.

    Erik hatte Scarlett noch nichts von seinen Bemühungen erzählt, denn er wollte sie damit überraschen. Als sie sich an diesem Abend wieder um die übliche Zeit trafen, flüsterte er ihr mit geheimnisvoller Miene zu, er wolle ihr etwas Schönes zeigen, führte sie an der Hand zu dem ersten der drei Ladekräne und zückte freudestrahlend den Schlüssel. „Von dort oben hat man einen irrsinnig tollen Ausblick“, sagte er und schloß dabei das Vorhängeschloß auf. Scarlett staunte und fragte, wie er an den Schlüssel gelangt sei. Erik scherzte, er habe ihn in der letzten Nacht unter seinem Kopfkissen gefunden, zwinkerte verschmitzt und gab ihr einen langen, leidenschaftlichen Kuß, dann gingen sie hinein, zogen die Tür hinter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher