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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker
Autoren: Paul Friedl
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einem Wirtshaus zukehren, jetzt aber mußte sie Ruhe haben, um zu überdenken, was die nächsten Stunden bringen mochten. Die nächsten Schritte konnten vielleicht für ihr ganzes Leben entscheidend sein. Die Heimat fühlte sie weit hinter sich. Umkehren konnte sie nicht mehr. Für sie war kein Bleiben in Hintereben, bis nicht Zeit und Jahre alles gelöscht hatten, was heute an bösen und brennenden Zweifeln, an marternder Seelennot in ihr lebte. Nun mochte es kommen, wie es wollte, es gab doch niemanden, dem sie sich mitteilen konnte. In Hintereben nicht, vielleicht aber anderswo. Ob sie mit dem reden konnte, zu dem sie nun in ihrer Ratlosigkeit gehen wollte? Ob der ihr in ihrer Not und Verzweiflung helfen konnte? Der Mesner polterte in die Stille der Kirche, tappte die Chorstiege hinauf, und dann summten und klangen die Glocken über ihr zum Mittagläuten.
    Ihr war bange vor der kommenden Stunde. Es war nicht das, was sie sich an Liebe vorstellte, was sie nach Kirchberg getrieben hatte. Es war nur die Not, und nun war sie bereit, eine Zusage zu geben, an die sie vorher nie ernsthaft gedacht hatte. Wie war sie froh gewesen, als Braun versetzt worden war, und sie hatte geglaubt, nun aller Angst ledig zu sein. Einen Feind hatte sie in ihm gesehen und war ihm gegenüber nur freundlich gewesen, weil sie fürchtete, er würde sonst ihrem Vater einen Strick drehen. Und nun war sie es, die zu ihm kam. Aber er hatte ihr doch zugesichert, daß sie kommen dürfe, wenn sie einmal jemanden brauche, auf den sie sich verlassen könne?
    Sie wartete noch mehr als eine Stunde, nachdem das Mittagläuten verklungen war und der Mesner die Kirchentüre wieder hinter sich zugeschlagen hatte. Dann ging sie in das Dorf zurück.
    Der Herr Kommissar sitze wahrscheinlich noch in der Brauerei, wo er sein Mittagessen einnehme, gab ihr eine Frau Auskunft, als sie den Dienstraum der Gendarmerie verschlossen fand.
    Sie ging vor dem Hause auf und ab und wartete.
    Als sie ihn auf der Straße kommen sah, schlug ihr das Herz bis zum Halse, und sie stellte das Köfferchen nieder, um ihm die Hand zu reichen.
    Erstaunt begrüßte er sie:
    »Das Fräulein Barbara? Wo kommen denn Sie her?« Zögernd griff er nach der dargebotenen Hand, und während er sichtlich die Überraschung erst überwinden mußte, behielt er ihre Finger fest in den seinen. »Ich – « Sie wurde rot und bleich und wußte nicht, wie sie es sagen sollte. Die Förmlichkeit seiner Begrüßung hatte ihr den Boden entzogen, und hilflos suchte sie nach Worten.
    »Na, wo fehlt es denn? Wollen Sie mich besuchen, oder ist es nur ein Zufall, der Sie nach Kirchberg geführt hat?«
    Da riß sie sich zusammen.
    »Ich hab mich halt an ein Versprechen erinnert, das mir einer einmal gegeben hat – ich könnte zu ihm kommen, wenn ich Hilfe brauchte.«
    Unangenehm berührt, sah Braun sich nach allen Seiten um.
    »Leider muß ich jetzt meinen Dienst anfangen. Aber um fünf Uhr kann ich weg, und dann reden wir weiter.« Er faßte sich wieder und lächelnd meinte er: »Schau dir inzwischen das Dörfl an oder ruh dich aus. Geh in die Brauerei, da komm ich um fünf Uhr hin.«
    »Ja«, sagte sie nur, nahm das Köfferchen auf und schritt davon.
    In ihr war eine lähmende Leere. Über das Dorf hinaus ging sie einen Feldweg entlang bis zu einem Wäldchen, dort legte sie sich ins Gras und weinte verzweifelt.
     
    In einem langen Zug beteten die Dörfler am Nachmittag des Pfingstmontags gegen Hintereben. Voran trugen die Ministranten die Kirchenfahne und das Kreuz, und im Chorrock folgte der greise Pfarrer. Hinter ihm schritt der Bürgermeister, und ihm schlossen sich die Gemeinderäte an. Dann folgten die übrigen, Männlein und Weiblein, und das Rufen der Vorbeter hallte wie ein dreistimmiger Gesang vom Wald zurück, als sie durch die Schlucht neben dem Elenderbach einher in das Hochtal von Hintereben zogen. Das Murmeln der Betenden übertönte das Rauschen des Baches. Die Ranklhoferin und der Franz waren dabei, und die Agatha ging mit der Hauserin vom Schwaigerhof den Frauen voran. Wie eine Bittprozession zog die Schar zwischen den Höfen vom Rankl und vom Schwaiger hinauf zu den Hochäckern. Unter einem Blumengewinde hervor leuchtete der Herrgott vom Kreuz, und der Feldstein war ganz mit roten Pfingstrosen bedeckt. Auf dem hängenden Feldrain vor dem Kreuzstein deckten Tannenästchen den Boden ab.
    In den blauen Himmel stieg der Weihrauch, als der Pfarrer das Kreuz mit geweihtem Wasser besprengte und aus dem
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