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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal
Autoren: Katrin Burseg
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verschlungenen Weg durch die Felder. Auf seiner Reise hinab zur Nordsee passierte der Fluss eine Vielzahl von beschaulichen Ortschaften und Marktplätzen. Hier, in den südlichsten Zipfeln des dänischen Herrschaftsgebietes, färbte noch kein Kriegsgeschehen sein Wasser rot.
    Doch die evangelischen Stände lebten weiter in Sorge und Verbitterung. Jeder Sieg der katholischen Armee auf ihrem Weg an den Rhein hatte am fernen Kaiserhof die Hoffnung verstärkt, die Glaubensordnung und die Verfassung des gesamten Reichs zum eigenen Vorteil verändern zu können.
    Der böhmische Majestätsbrief über die Religionsfreiheit war bei der Plünderung Prags erbeutet worden. Der Kaiser selbst hatte ihn eigenhändig in Stücke geschnitten, erzählte man sich. Jetzt begann Ferdinand II. seinen Plan, die habsburgischen Länder zu einem katholischen Staat zusammenzuschweißen, in die Tat umzusetzen.
    „Sein Ehrgeiz verlangt nach absoluter Macht – in seinen eigenen Ländern und überall im Reich. Der Kaiser sieht Großes für die Zukunft der habsburgischen Dynastie. Sein von Wien aus regierter Staat soll das starke Fundament für den Wiederaufbau eines katholischen Europas bilden“, warnte der entthronte Friedrich von der Pfalz die Fürsten der protestantischen Union. „Er verdammt alle Protestanten als Ketzer.“
    Die Lutherischen formierten sich im Widerstand gegen einen Kaiser, der protestantische Soldaten, die einem Marienbildnis die Augen ausstachen, für schrecklicher hielt als kaiserliche Truppen, die Bauern in ihre brennenden Häuser zurückjagten.
    „Besser eine Wüste regieren als ein Land voller Ketzer“, tönte er. Über Böhmen, die Rheinpfalz, die Oberpfalz, die rheinischen Bistümer und das Elsass breiteten sich die Kämpfe immer weiter aus. Mit Tod und Vernichtung im Schlepptau zogen die Truppen marodierend durch die Lande.

     
Johanna von Krabbe, erste Hofdame am Hof Christians IV.: Aus ihren geheimen Aufzeichnungen
    Ich bin Johanna, die einzige Tochter des königlichen Kartographen Gustav von Krabbe und seiner Frau Margarete, die mich im Alter von vierzehn Jahren an den königlichen Hof in Kopenhagen gaben. Dort lebte ich zunächst als Zofe und später, nachdem ich mich unentbehrlich gemacht hatte und die königliche Gemahlin meine geschickten Hände nicht mehr missen wollte, als erste Hofdame.
    Als ich Schloss Rosenborg zum ersten Mal betrat, war ich ein Kind. Mein Körper war der einer Frau, ich trug die Roben einer Dame, doch meine Seele war unschuldig, meine Gedanken ohne Hintersinn. Ich staunte über eine Welt aus Gold, das im Kerzenlicht schimmerte, über funkelnde Juwelen, Samt und Spitze und sah nicht, dass vieles nur Fassade war – eine dünne Schicht aus glitzerndem Prunk. Lächeln und Freude, vieles war Maskerade, die Enttäuschungen, Gier und Hass verbarg. Der große Krieg jedoch hat alles ans Licht gezerrt. Heute weiß ich, dass Jähzorn, Rachsucht und Habgier unser Land regieren. Intrigen wuchern wie Pilzgeflecht durch die Hofgesellschaft, und viele Herzen sind kälter als Stein.
    Es ist viel geschehen. Fast dreißig Jahre sind vergangen, seit ich den Palast und seine Bewohner kennen gelernt habe. Ich habe die Liebe gesehen, ihr sanftes, leuchtendes Gesicht. Und den Hass, seine schwarze, böse Fratze. Anfang und Ende, Geburt und Tod. Heute, nach den langen Jahren am Hof, halten mich viele immer noch für eine Dame. Doch das ist eine Illusion, die ich mit Schminke, edlen Stoffen und wachsamer Höflichkeit vortäusche. Der große Krieg, Not und Wut haben auch mich verändert. Ich bin die Chronistin einer elenden Zeit, und ich habe Dinge erfahren, die nie die Mauern des Palastes verlassen sollten. Ich werde sie dennoch erzählen, ich habe keine Angst. So wie mein Vater einst die Konturen Dänemarks auf seine Karten bannte und der Küste ihre Geheimnisse entlockte, werde ich die verborgenen Vorgänge bei Hofe aufzeichnen und benennen. In meine Rocksäume habe ich Münzen und Juwelen eingenäht, ich kann über das Wasser fliehen und ein anderes Leben beginnen. Doch noch ist es nicht so weit.
    Als ich an den Hof Christians IV. kam, war der König so mächtig wie keiner seiner Vorfahren. Sein Reich grenzte im Norden an die eisigen Schollen des Polarmeeres, im Süden an die sandigen Ufer der Elbe. Sein Urahn Christian I., der erste Oldenburger auf dem dänischen Königsthron, war anno 1460 auch zum Herzog von Schleswig und zum Grafen von Holstein gewählt worden und somit seitdem Lehnsmann des deutschen
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