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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal
Autoren: Katrin Burseg
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Versprechen, das alles umschrieb, was uns beide verband. Dann schloss ich die Tür hinter mir, und sie blieb zurück.
    Am nächsten Abend war sie tot. Ich fand sie am Fenster sitzend, ein Lächeln lag auf ihren Lippen, und in ihren Händen hielt sie einen Zweig des Apfelbaumes. In der Wärme des Zimmers hatten sich seine Blüten geöffnet, und so umwehte sie ein Hauch des süßen Duftes wie eine Erinnerung.
    Ich hatte Wiebke nie schöner gesehen, und es dauerte lange, bis ich begriff. Bis ich begriffen hatte, dass der König und Wiebke sich zu sehr geliebt hatten, als dass der eine lange ohne den anderen bleiben konnte.
    Die ganze Nacht nahm ich Abschied von ihr. Ich hielt sie in meinen Armen, küsste sie und weinte. Als ich ihr die Haare aus der Stirn strich, bemerkte ich, dass die Narbe fehlte, als ob ein Zauber von ihr genommen worden war. Erst im Morgengrauen erinnerte ich mich an ihren Wunsch. Ich ging in den Garten und fand beim Apfelbaum, gar nicht tief, nur unter ein wenig Laub und einer Hand voll Erde verborgen, das Gold. Ich nahm es und versteckte es unter meinen Röcken.
    Noch einmal küsste ich sie. Als ich ging, winkte ich ihr zu, so wie sie es am Abend zuvor getan hatte, und im Halbdunkel schien sie mir zuzulächeln. Ich hatte ihr versprochen, mich um Gottes Segen und einen Platz in geweihter Erde zu sorgen, dafür brauchte ich das Gold. Doch als ich aus dem Haus schlich, sah ich Reiter und die Kutsche des Reichshofmeisters durch die Gasse preschen. Sie hielten auf das Haus zu, und ich versteckte mich schnell hinter einigen Fässern an der Straße. Nachdem die Männer lärmend im Haus verschwunden waren, rannte ich zitternd in den Palast zurück. Es fiel Schnee an diesem Morgen, die letzten Flocken des Winters, und es schien, als wären seine Tränen noch einmal zurückgekehrt.
    Später hieß es, Corfitz Ulfeldt hätte beim Anblick der Toten wütend aufgeschrien. Er hatte ihr Versteck ausfindig gemacht und war doch zu spät gekommen, um die Hexe anzuklagen und von einem Prozess zu profitieren. So wollte er wenigstens ein Spektakel vollführen und ihren Leichnam durch die Straßen der Stadt schleifen, doch Kronprinz Friedrich verhinderte Schlimmeres. Er ordnete für die Frau, die seinen Vater ganz offensichtlich verzaubert hatte, ein Armenbegräbnis vor der Stadt an. Der Hof ließ ihr Haus versiegeln, und die Stiefkinder teilten sich ihre Kostbarkeiten.
    Ich sah meine Liebe nie wieder. Doch ich trug ihr Bild in mir und dazu das Versprechen, ihr Andenken vor dem Dunkel des Vergessens zu bewahren. Ich denke jeden Tag an sie. Es gibt nichts, was mich nicht an sie erinnert – ein Wort, eine Geste, ein Blick. Nie könnte ich ohne einen Gedanken an sie sein.
    Wiebke Kruse ist tot. Sie ist tot und begraben, aber ihre Geschichte lebt. Ihre Geschichte lebt, wenn sie erzählt wird.
    – ENDE –

NACHWORT
    „Sie leuchtete und sie berührte auch mich. Als ich Wiebke Kruse das erste Mal sah, war sie mir ein Rätsel.“
    Johanna von Krabbe, erste Hofdame am Hof Christians IV.: Aus ihren geheimen Aufzeichnungen
    Als König Christian IV. von Dänemark und Norwegen (1577–1648) Wiebke Kruse (ca. 1610–1648) um 1629/30 an seine Seite nimmt, befindet sich der strahlende Renaissancefürst in einer tiefen Krise: Im Jahr 1626 ist der Kämpfer für die protestantische Sache in der Schlacht bei Lutter am Barenberge von den Katholiken schwer geschlagen worden. 1627 dringen die kaiserlichen Truppen unter ihrem Feldherrn Albrecht von Wallenstein sogar bis nach Jütland vor – Dänemark selbst ist in Gefahr. Doch Christians Welt ist nicht nur von äußeren Umstürzen, den Wirren und Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges, bedroht. Zur selben Zeit unterhält seine erheblich jüngere Frau, die Gräfin Kirsten (Kirstine/Christine) Mun(c)k (1598–1658), eine Liebesaffäre mit dem jungen Rheingrafen Otto zu Solms, einem Offizier in dänischen Diensten. Als es zum Eklat kommt und ihm seine Frau den Zutritt zu ihren Gemächern verweigert, trennt sich der König von seiner Frau und verbannt sie. Ein Steinsitz mit dem Datum der Trennung (10. November 1628), den der König als Mahnmal ihres Verrates fertigen lässt, befindet sich noch heute auf Schloss Rosenborg in Kopenhagen.
    Für König Christian IV., kraftvoll, zielstrebig, bislang erfolgsver- wöhnt und im Volk beliebt, bricht eine Welt zusammen. Er ist nicht nur in seinem Ansehen als Feldherr und König tief getroffen und erniedrigt worden, er hat auch seine geliebte Frau an
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