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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal
Autoren: Katrin Burseg
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mit allen Ehren. Diener und Minister umringten sie und bekundeten ihr Beileid, ihre Töchter begrüßten sie, allen voran Eleonore Christine, schön und ehrgeizig wie die Mutter. Ihr Mann, Reichshofmeister Corfitz Ulfeldt, geleitete sie am Arm an das Bett des Königs und sie nahm Abschied, so wie es der Brauch von ihr verlangte.
    Als sie die eisige Hand des Toten küsste, meinte sie, Christians Stimme zu hören. „Du hast kein Recht, bei mir zu sein“, schien er ihr zuzuraunen, und sie beugte sich noch tiefer über den toten König, um ihn besser zu verstehen. „Du hast kein Recht …“, und die Worte bohrten sich in ihren Kopf. Sie schluchzte auf, und ihre Töchter eilten an ihre Seite, erstaunt über die Trauer und Demut der Mutter.
    „Wo ist die Wäscherin?“, konnte sie nur noch stammeln. „Fort mit ihr. Sie hat kein Recht mehr hier zu sein.“
    Wenig später meldete Ulfeldt ihr, dass Wiebke Kruse das Schloss verlassen hatte. Sie sei ohne Widerworte gegangen, bereit, alle Besitztümer aufzugeben.
    „Als sie die Kutsche bestiegen hat, trug sie nur ihre Kleider, selbst den Schmuck hatte sie abgelegt“, berichtete der Erste Minister erstaunt über den stolzen Abschied dieser seltsamen Frau. „Sie trug mir auf, Euch auszurichten, sie könne Euch nicht hassen, würde Euch jedoch verachten.“
    Kirsten Munk lachte auf. Dieses kleine Biest, dachte sie. Selbst in ihrer schwersten Stunde erniedrigt sie mich. Doch sie war viel zu sehr beschäftigt, als dass sie sich weiter empörte. Sie musste ihr altes Leben zurückgewinnen, ihre Räume zurückerobern, Zofen und Diener einweisen, sie ihre Macht spüren lassen. Noch am Nachmittag ließ sie ihre von Wiebke in die Keller verbannten Kostbarkeiten holen. Sie begrüßte ihre Schätze wie lang vermisste Freunde, streichelte sie und wies ihnen den Platz zu, der ihnen gebührte.
    Erst am Abend fiel ihr ein, dass sie nicht allein gekommen war. Doch da konnte sich schon niemand mehr daran erinnern, wohin der blonde, junge Unbekannte gegangen war, nachdem er das Schloss verlassen hatte. Sosehr sie auch nach ihm suchen ließ, Hans Ulrich Gyldenløve blieb für immer verschwunden.

     
Johanna von Krabbe, erste Hofdame am Hof Christians IV.: Aus ihren geheimen Aufzeichnungen
    Noch heute kann ich mir nicht verzeihen, dass ich Wiebke nicht zur Seite gestanden habe, als sie so verzweifelt nach mir verlangt hat. Ich habe ihr Rufen nicht gehört – ich kann nicht sagen, warum. Es war, als ob uns in diesem Moment eine Macht trennte, als ob auch sie schon in eine andere Welt aufgebrochen war, eine Welt, in die ich ihr nicht folgen konnte.
    Als sie zu mir kam, war sie so kalt wie Eis. Sie musste stundenlang neben dem toten König gesessen haben. Nach altem Brauch hatte sie seiner Seele ein Fenster geöffnet, und die kalte Luft hatte sie eingehüllt, ihr leichtes Kleid durchdrungen und war bis zu ihrem Herzen gekrochen. Wiebke zitterte und schluchzte, als sie vor mir stand, doch ihre Gedanken waren klar.
    „Ich muss gehen“, sagte sie. „Man wird mich bald aus dem Schloss weisen.“
    Ich wollte sie begleiten, ihren Besitz zusammensuchen, doch sie lehnte ab.
    „Ich gehe, wie ich gekommen bin. Der König hat mir einiges hinterlassen, ich weiß, wo ich es finden kann.“
    Wir verabredeten, dass ich sie nachts besuchen kommen sollte. Sie wollte allein in ihrem Haus sein, versteckt in den Gassen von Kopenhagen, und mich am Hof wissen, damit wir von den Plänen der Gräfin und ihrer Kinder erfuhren.
    „Wenn sie mich anklagen wollen, müssen wir gehen“, sagte sie. „Dann verlasse ich Kopenhagen, und du begleitest mich.“
    Ich hoffte, dass wir bald nach Glückstadt aufbrechen könnten, ich wusste das Haus bereit, und so küsste ich sie fast freudig zum Abschied, denn ich glaubte an so viel Zeit. In diesem Augenblick stand der Reichshofmeister in der Tür, erstaunt zog er die Augenbrauen in die Höhe, sagte aber nichts. Wiebke nickte ihm zu.
    „Ich bin bereit“, erklärte sie, und noch bevor er sie des Hofes verweisen konnte, drehte sie sich um und ging – störrisch, stolz und schön.
    Die folgenden Tage waren stürmisch. Kirsten Munk war an den Hof zurückgekehrt, fast zwanzig Jahre hatte sie auf ihren Triumph gewartet und kostete ihn nun gebührend aus. Sie suhlte sich in der Rolle der trauernden Witwe, scharte die Dienerschaft um sich und ließ ihre Säle in kalte Schatzkammern zurückverwandeln. Man teilte mich wieder in das Gefolge der Gräfin ein, ein niederer Dienst zwar,
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