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Das kleine Reiseandenken

Das kleine Reiseandenken

Titel: Das kleine Reiseandenken
Autoren: Berte Bratt
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Kofferschild.
    „Skovsgaard“, las Ingrid laut. Fräulein Skovsgaard lachte.
    „Siehst du, jetzt kannst du gleich mal ein bißchen die dänische Aussprache lernen. Das ov wird wie au ausgesprochen, und das aa wie ein o. Also…“
    „Skausgord“, lächelte Ingrid.
    „Richtig. Das hast du schnell rausgekriegt. Kannst du gar kein Dänisch sprechen?“
    „Nein. Kein Wort.“
    „Bis wir in Kopenhagen ankommen, sollst du mindestens dreißig Wörter können“, lachte Fräulein Skovsgaard. „Dafür stehe ich ein. Ja schau mal, jetzt fahren wir schon.“
    Ingrid wurde schweigsam. Sie stand auf und stellte sich ans Fenster im Gang. Die Häuser wurden allmählich spärlicher, der Zug fuhr immer schneller, flache Felder, hier und da ein Bauernhof – eine leere, öde Gegend.
    „So“, sagte die helle Stimme neben ihr plötzlich. „Willkommen auf dänischer Erde, kleine Namensschwester.“
    „Sind wir in Dänemark?“
    „Ja. Jetzt sind wir in Dänemark.“ Ingrid schluckte. Sie drehte sich zu Fräulein Skovsgaard um und begegnete einem freundlichen Blick aus den blauen, kurzsichtigen Augen.
    Mit einemmal war es gar nicht mehr so schwer. Ingrid hatte das Gefühl, als habe sie einen sicheren und festen Halt in dem fremden Land.

Fröhliche Reise übers Meer
     
     
    Sie hatten mächtiges Glück, die große und die kleine Ingrid. In Padborg, der ersten Station auf dänischer Seite, stiegen alle Mitreisenden ihres Abteils aus, und sie blieben allein. Ingrid Skovsgaard plauderte und erzählte von den Orten, durch die der Zug fuhr. Sie zog eine Karte heraus und zeigte Ingrid, daß sie bald an die berühmte Kleine-Belt-Brücke kämen; dann nach Fünen und nach Odense, H. C. Andersens Stadt. – Ob Ingrid seine Märchen kenne?
    Aber ja doch! Sie habe über „Das häßliche junge Entlein“ und über die „Geschichte einer Mutter“ bitterlich weinen müssen.
    Fräulein Skovsgaard erzählte, sie sei Malerin. Sie habe ein großes Atelier in einem uralten Haus in Kopenhagen, sie besitze einenPudel, der Dixi heiße und den sie über alles auf der Welt liebe. Und jetzt habe sie eine Studienreise durch Deutschland und Österreich gemacht und komme mit vollen Skizzenbüchern und Haufen von Ideen und unverbrauchten Kräften wieder nach Hause.
    „Aber ich rede ja dauernd von mir selber“, lachte sie, „erzähl jetzt mal etwas von dir. Wie kommt es, daß du so ganz allein ins Ausland fährst?“
    Und Ingrid erzählte. Von der Tante in Kopenhagen, die so plötzlich aufgetaucht war und sie für ein Jahr nach Dänemark eingeladen hatte. Ingrid holte die Briefe heraus und zeigte sie.
    Fräulein Skovsgaard las sie schweigend. Dann sah sie Ingrid aufmerksam an.
    „Das ist ja ein ganzer Roman! Und was wirst du jetzt in Kopenhagen machen, Ingrid?“
    „Tante Agate im Haushalt helfen, denke ich…“
    „Ja, das hat sie geschrieben, wie ich sehe…“ Fräulein Skovsgaard machte eine Kopfbewegung zu den Briefen hin, die auf dem kleinen Abteiltischchen lagen.
    „Ich hoffe auch, daß ich noch in eine Schule gehen kann – und dann gibt es doch sicher in Kopenhagen viel zu sehen. Tante Agate schreibt ja, die Stadt wäre so schön…“
    Fräulein Skovsgaard lächelte und nickte: „Ja. Kopenhagen ist wirklich eine schöne Stadt. Da hat deine Tante ganz recht.“
    Ihre Augen ruhten nachdenklich auf der schmächtigen Mädchengestalt.
    „Deine Tante holt dich also heute abend am Zug ab.“ Sie nahm den letzten Brief wieder zur Hand. „Erkennungszeichen: ein Taschentuch in der Hand! Nun ja, besonders deutlich ist dies Zeichen eigentlich nicht; auch ziemlich unpraktisch, wenn man die Hände voller Gepäck hat. Aber ich habe eine Idee – paß mal auf…“
    Die zierlichen geschickten Finger Fräulein Skovsgaards arbeiteten plötzlich rasch. Sie nahm den Deckel von der kleinen Pappschachtel ab, in der sie ihre Reisebrote hatte, holte einen Farbstift heraus und malte große, leicht lesbare Buchstaben auf die Pappe. Dann kramtesie in ihrer Reisetasche nach einer langen Stricknadel, die sie durch das Pappschild steckte, so daß das Ganze aussah wie eine Fahne an einer Stange.
    „Schau her, ist das so nicht besser? Die Stricknadel kannst du mir wiedergeben, wenn du deine Tante gefunden hast.“
    Ingrid lächelte und stoppelte sich durch die Aufschrift hindurch: „TANTE AGATE! JEG ER INGRID! Was bedeutet das?“
    „Ich bin Ingrid. Jetzt hast du ganz unversehens zwei dänische Wörter gelernt.“
    „Tausend Dank. Das ist aber wirklich viel
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