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Das Kleine Buch Der Lebenslust

Das Kleine Buch Der Lebenslust

Titel: Das Kleine Buch Der Lebenslust
Autoren: Anselm Gruen
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ihn hätte ich mein Leben nicht so gemeistert. Aber oft genug steht er mir auch im Weg und hindert mich daran, den Augenblick zu genießen. Denn der Verstand vermag nicht im Augenblick zu verweilen. Anders meine Sinne: Sie führen mich ein in die Kunst, im Augenblick zu sein. In den Sinnen bin ich immer ganz präsent. Da spüre ich, da schaue ich, da höre ich, da rieche ich, da schmecke ich, da berühre ich: hier und jetzt. Der Dichter Otto Julius Bierbaum lädt uns ein, einmal die Herrschaft des Gehirns zu verlassen, um uns ganz den Sinnen und durch sie dem Leben hinzugeben. Das ist ein Weg, die Lust am Leben zu erfahren:
 
„... Vergiss dein Gehirn eine Weile und sei
Gedankenlos dem lieben Leben
Blumeninnig hingegeben;
Vergiss dein Begehren, vergiss dein Streben
Und sei in seliger Einfalt frei
Des Zwangs, der dich durchs Hirn regiert!
Er hat dich freilich hoch geführt
Und vieles dir zu wissen gegeben,
Aber das allertiefste Leben
Wird nicht gewusst, wird nur gespürt.
Der Blumen zarte Wurzeln fühlen
Im keimlebendigen, frühlingskühlen
Erdboden mehr von ihm als du.
Und bist doch auch ein Kind der Erde.
Dass sie nicht sinnenfremd dir werde,
Wende ihr heute die Sinne zu! ...“
Otto Julius Bierbaum (1865–1910)

Leben ist die Lösung
Es gibt heute eine Flut von Ratgeberbüchern. Sie versprechen Hilfe, unser Leben besser zu bewältigen. In manchen dieser Bücher wird das Leben als Problem gesehen, das man lösen sollte. Die vielen Ratschläge wollen zeigen, wie man das Leben in den Griff bekommt, wie es sinnvoll zu leben wäre. Manchmal hat man den Eindruck, dass das Leben wie ein Feind angesehen wird, den man zu überwältigen versucht. Der große südfranzösische Dichter Marcel Pagnol zeigt uns einen anderen Weg, mit dem Leben umzugehen: „Leben ist für den Optimisten kein Problem, sondern bereits die Lösung.“ Dahinter steckt nicht nur südliche Lebensfreude. Sondern die tiefe Weisheit: Es geht nicht darum, das Leben in den Griff zu bekommen, sondern dem Leben Raum zu geben. Das Leben ist nicht das Problem, das wir lösen sollen. Wenn das Leben strömt, dann ist das schon die Lösung. Leben hat etwas zu tun mit Fließen und Strömen. Unsere Aufgabe kann nur sein, dem strömenden Leben nicht Einhalt zu gebieten, sondern ihm freien Lauf zu lassen. Und an uns liegt es, das Leben zu spüren,das schon in uns ist. Wer mit dem Leben in Berührung ist, wer lebendig ist, wer wirklich lebt, für den ist das Leben kein Problem, sondern schon die Lösung.

Einverstanden mit dem Ganzen
„Um gesund zu sein, muss man der Welt im Ganzen zustimmen.“ Der Medizinhistoriker Heinrich Schipperges hat das Geheimnis der Heilkunde Hildegards von Bingen so zusammengefasst: Gesundheit kann man nicht nur durch gesunde Ernährung oder durch eine gesunde Lebensweise erreichen. Wer im Innersten gesund sein will, der muss einverstanden sein mit der Welt, so wie sie ist. Nur so kommt er mit sich selbst in Einklang. Und dies ist die Voraussetzung der Gesundheit. Zu unserer Welt gehört auch die Krankheit. Der Welt im Ganzen zustimmen heißt auch, Ja zu sagen, dass ich krank werden kann. Wenn ich auch meiner Krankheit zustimme, verliert sie ihre zerstörerische Macht. Sie kann zwar meinen Leib zum Tod führen. Aber mich in meiner Seele vermag sie nicht zu vernichten. Wenn ich der Welt mit ihren Gegensätzen zustimme, dann bleibe ich heil, selbst wenn ich von einer unheilbaren Krankheit befallen bin.

Das Jubeln der Amsel
Joachim Ernst Berendt, der viel über das Hören geschrieben hat, spricht einmal von „einem Frühlingsmorgen in einem Baum, an dem die ersten Blätter sprießen und auf dessen höchstem Trieb jubelnd die Amsel flötet.“ Berendt, Sohn eines evangelischen Pfarrers, galt lange Zeit in Deutschland als der Kritiker, der sich am besten mit Jazz auskannte. Mich hat immer fasziniert, wie er über die Sinne schreibt. Ihm stand der Hörsinn im Zentrum. Das Hören führt zum Leben. Das Hören von heiterer Musik weckt in mir die Freude. Und manchmal erfahre ich im Hören eine unaufhörliche Lust. Im Hören höre ich das Unhörbare. Und Hören ist ein sehr emotionaler Sinn. Wer ganz im Hören ist, hört sogar die Blätter sprießen. Und das Lied der Amsel lässt das eigene Herz aufjubeln. Für die Mystiker des Mittelalters war der Jubel die höchste Erfahrung Gottes. Im Jauchzen und Jubeln wird der Mensch ganz und gar von Gott aus sich herausgerissen und in die göttliche Ekstase hineingeführt. Da hört er das Unhörbare. Da
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