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Das Kleine Buch Der Lebenslust

Das Kleine Buch Der Lebenslust

Titel: Das Kleine Buch Der Lebenslust
Autoren: Anselm Gruen
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stammende Theologe Johann Baptist Metz, Mitherausgeber einer internationalen theologischen Zeitschrift, lud seine aus vielen Ländern stammenden Herausgeberkollegen einmal nach München ein und wurde bei einem Abendempfang von ihnen gefragt, was denn so besonders an den Bayern sei. Seine Antwort: „Sie haben eine natürliche Freude an der Religion und eine mystische Freude am Bier.“ Bei einer späteren Gelegenheit, im ebenfalls bayerischen Weinland Franken, wandelte er diese Definition – die selber einer lustvollen Zugehörigkeit zu dem von ihm beschriebenen Stamm entspricht – etwas ab und sprach von der „irdischen Freude anGott und von der mystischen Freude am Wein“. Es täte unserer Spiritualität gut, wenn die Freude an Gott einen irdischen Geschmack bekäme, den Geschmack eines guten Essens, der Schönheit der Schöpfung und der Lust, im Leib zu sein. Und die Freude am Wein, der ja die Frucht der Erde ist, sollte voll von Mystik sein. Indem ich einen guten Wein trinke, kann ich manchmal Ekstase in Gott hinein erfahren. Da spüre ich einen wundersamen Geschmack. Auch für Johann Baptist Metz ist dieser einzigartige Weingeschmack eine Vorahnung Gottes, der unser Leben mit seiner Liebe verzaubert und uns berauscht. Und das gilt natürlich nicht nur in Bayern oder für Bayern.

Hemmung macht krank
In der deutschen Philosophie war Lust kein Lieblingsthema. Immanuel Kant setzt der Lust die sittliche Pflicht entgegen. Erst die Psychoanalyse eines Sigmund Freud hat sich wieder ausführlich mit der menschlichen Lust beschäftigt. Für ihn ist das Streben nach Lust und das Vermeiden von Unlust der zentrale menschliche Antrieb von früher Kindheit an. Allerdings zeigt sich auch bei Freud, dass die Lust nicht lange währt. Wer erwachsen werden will, muss sich der Realität anpassen. Und die verspricht oft keine Lust mehr.
Für die heutige Psychologie ist Lust eine wichtige Empfindungsqualität des Menschen. Wenn der Mensch bei der Arbeit Lust empfindet, geht sie ihm besser von der Hand. Wenn er Lust beim Wandern hat, dann hebt sich sein Herz. Wenn er mit Lust in eine Besprechung geht, wird sie eher gelingen. Und wenn Menschen Lust im sexuellen Einswerden spüren, dann fördert das ihr Erleben von Liebe. Lust dient der Gesundheit, sagen Psychologen. Und sie weisen auch auf das Gegenteil hin: dass der Mensch durch Lusthemmung krank wird.

Was das Herz begehrt
„Habe deine Lust am Herrn! Was dein Herz begehrt, wird er dir geben“ (Ps 37, 4). Die Einheitsübersetzung spricht an dieser Stelle von der Freude am Herrn. Die Übersetzung unseres Stundenbuches, die einige Benediktiner-Exegeten erarbeitet haben, bringt hier in Übereinstimmung mit dem lateinischen Text (delectare) das Wort „Lust“. Ich soll mich nicht nur intellektuell oder gefühlsmäßig über Gott freuen. Vielmehr geht es darum, mit dem ganzen Leib, in meinem ganzen Wesen, Lust an ihm zu haben. Hieronymus hat das in seiner Vulgataübersetzung genauso gesehen. Er spricht nicht von „laetare = freue dich“, sondern von „delectare = habe Lust“. Das lateinische Wort „delectare“ bedeutet ursprünglich: an sich locken, sich ergötzen, Lust haben. Es meint eine Freude, die den ganzen Leib zittern macht. Da schwingt der ganze Leib mit. Der Psalmist kennt nicht eine rein geistige Freude. Wenn er sich freut, freut er sich mit allen Sinnen. Und wenn er Lust an Gott hat, hat er sie mit den gleichen Organen, die die sexuelle Lust verspüren.
Aber ist das eine Erfahrung, die nur der Psalmistmacht? Was heißt das für uns heute? Ich kann diese Lust an Gott nicht einfach machen. Aber wenn ich mit all meinen Sinnen genieße, was Er mir schenkt, dann ahne ich, was es heißt: Lust an Gott zu haben, zu spüren, wie der ganze Leib vibriert, wenn Seine Liebe mich erfüllt.

Lust an der Fülle
Lust haben heißt für mich: mich mit dem ganzen Leib freuen über die Fülle des Lebens. Das ist auch eine biblische Erfahrung: „Die Armen werden das Land besitzen und ihre Lust haben an der Fülle des Friedens“. So steht es in Psalm 37. Hier spricht der Beter von den Frevlern, die es den Armen schwer machen. Doch er spricht sich selbst Mut zu, nicht auf die Frevler zu achten, sondern still zu werden vor Gott und auf ihn zu harren. Gegen alle Bedrängnis durch böse Menschen steht Seine Verheißung: Die Armen werden das Land besitzen und sie werden Lust haben an der Fülle des Friedens. Friede, Schalom, ist nicht nur das Fehlen von Krieg und Streit, sondern alles, was
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