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Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache
Autoren: John Saul
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gelegen, im Laufe der Zeit
beträchtlich gewachsen war. Die Plaza war nach wie vor das
Zentrum.
    Im Schatten der Eiche waren einige Generationen von
Kindern groß geworden. Die Kinder hatten ihre Namen in die
Rinde geschnitzt und ihre Schaukeln an den Ästen des Baumes
aufgehängt. Inzwischen war er von einem Schutzgitter
umgeben. Schilder wiesen die Bürger darauf hin, daß das
Betreten des Rasens, der den Baum umgab, verboten sei, weil
es sich um La Palomas spanisches Erbe handelte. Der Baum, so
war zu lesen, sei die älteste und größte Eiche in ganz
Kalifornien. Nur dem Personal der Stadtgärtnerei von La
Paloma war es erlaubt, das Wahrzeichen überhaupt zu
berühren. Die Schilder verschwiegen, daß dieses Personal nur
aus zwei Gärtnern bestand, die stundenweise zur Pflege der
spärlichen Grünfläche des Ortes eingesetzt wurden.
    Nach hundertjährigem Schlaf war La Paloma von der
modernen Computergesellschaft entdeckt worden.
Zunächst hatte sich das Personal der Firmen, die in Silicon
Valley produzierten, in Apartmenthäusern am Ortsrand von
Palo Alto und Sunnyvale eingemietet. Aber das kleine,
malerische La Paloma mit seinen schattenspendenden
Eukalyptusbäumen war zu verlockend, als daß es lange
ignoriert worden wäre.
Die ersten, die in La Paloma eingezogen, waren die oberen
Ränge, die Spitze der Computerhierarchie. Es war diesen
Leuten zu verdanken, daß in der Verwaltung des Ortes alsbald
Beschlüsse gefaßt wurden, die ursprüngliche Schönheit und
den rustikalen Charakter der Ansiedlung zu bewahren. Ob
solche Beschlüsse ein Segen oder ein Fluch waren, das hing
von der Perspektive des Betrachters ab.
Für die Nachfahren der Californios bedeutete die Woge der
Neuankömmlinge schlicht, daß es jetzt Jobs gab. Für die
Kaufleute des kleinen Ortes bedeutete es mehr Geld. Diese
beiden Gruppen, die bis dahin ums tägliche Überleben
kämpfen mußten, hatten jetzt ein gutes, geregeltes Einkommen.
Für andere Bewohner von La Paloma bewirkten die Beschlüsse der Stadtverwaltung eine grundlegende Änderung
ihres Lebensstils. Zu ihnen gehörte Ellen Lonsdale.
Ellen war in La Paloma aufgewachsen. Als sie heiratete,
hatte sie ihrem Mann erklärt, daß dieser Ort für beide genau
das richtige war. La Paloma war der Ort, wo Marsh seine
ärztliche Praxis aufbauen konnte. Ihre Kinder würden in der
Umgebung aufwachsen, wo Ellen groß geworden war.
Nachdem Marsh einige Male seine Ferien bei Ellen verbracht
hatte, hatte er ihrem Vorschlag zugestimmt.
Während der ersten zehn Jahre ihrer Ehe war alles bestens.
Aber dann brachen die Zuwanderer, die Beschäftigten der
Computerfirmen, wie eine Flut über La Paloma herein. Als
Ellen merkte, was geschehen war, war es schon zu spät.
Während sie an einem Nachmittag im Mai ihren Volvo
durch den Ort steuerte, dachte Ellen über den Platz im
Mittelpunkt und die alte Eiche nach. Der Baum symbolisierte
wie nichts anderes die Veränderungen, die hier vorgegangen
waren.
Nicht alles war gut, was den Bürgern als gut verkauft wurde.
Da gab es zum Beispiel die alten Häuser im Hazienda-Stil, die
einst den Aufsehern der Californios gehört hatten. Die Häuser
waren restauriert worden. Niemand sprach darüber, daß sich
hinter den neuen Fassaden nichts als Unglück verbarg. Viele
Ehen in La Paloma zerbrachen, weil Mann und Frau den
Herausforderungen der High-Tech-Zivilisation nicht
gewachsen waren.
Und jetzt, dachte Ellen, steht mir das gleiche bevor.
Sie umrundete den Platz mit der Eiche, bog auf den La
Paloma Drive ab und erreichte, nachdem sie zwei Kreuzungen
passiert hatte, den Parkplatz des Medical Center.
Das Medical Center war eines der Dinge, die sich Ellen in
einem Ort wie La Paloma nie hatte vorstellen können.
Heute wußte sie, daß sie bei ihren Erwartungen an die
Zukunft zu kleinmütig gewesen war.
Zusammen mit dem Ort war die ärztliche Praxis ihres
Mannes gewachsen. Die bescheidenen Räumlichkeiten, in
denen Marsh begonnen hatte, hatten sich zu einer perfekt
ausgestatteten Privatklinik entwickelt, die den Namen ›La
Paloma Medical Center‹ trug. Längst hatte es Ellen
aufgegeben, das Personal zu zählen, das für ihren Mann
arbeitete. Die Buchführung, die zu Beginn von ihr besorgt
worden war, war in andere Hände übergegangen. Marsh war
nicht nur der Leiter der Klinik, sie gehörte ihm auch zu 50
Prozent. Es war eine Tatsache, Ellen und Marsh Lonsdale
waren im Aufwind wie der ganze Ort. In zwei Wochen
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