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Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache
Autoren: John Saul
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Angst machen.« Sie legte ihre Stickerei auf den Stuhl.
»Und Sie haben kein Recht, uns wie das Vieh herumzustoßen.«
Sie nahm Ihre Töchter an der Hand. Mit festem Schritt
überquerte sie den Patio.
Als sie die Mauer erreicht hatte, begann sie zu beten. Der
Junge, der sich auf den Hügel verbarg, konnte erkennen, wie
sich ihre Lippen bewegten.
Als der erste Schuß abgefeuert wurde, riß Dona Marias Sohn
die Augen auf. Er sah, wie die Hand seiner Mutter zur Brust
fuhr. Frisches Blut quoll zwischen ihren Fingern hervor und
benetzte ihr Kleid.
Was er dann hörte, waren die Schreie seiner Schwestern, die
vom Rattern der Gewehre übertönt wurden.
Die jüngste Schwester war die erste, die zu Boden sank. Der
kleine Körper wurde von ungezählten Einschüssen erschüttert,
bevor er im Staub zur Ruhe kam.
Das ältere Mädchen hatte die Arme ausgebreitet, als wollte
es seine Schwester auffangen. Die Schüsse der Reiter trafen
sie, und sie fiel mit dem Gesicht in den Schmutz.
Dona Maria lehnte schwer getroffen an der Mauer. Mit
ruhigem Blick maß sie die Soldaten, die ihre Gewehre auf sie
gerichtet hielten. »Sie werden für das Unrecht, das Sie tun,
bezahlen. Mein Sohn wird Sie finden, und er wird Sie töten.
Wir werden diese Hazienda nie verlassen.« Nach diesen
Worten brach sie zusammen. Sekunden später trafen die
Schüsse der Amerikaner ihren leblosen Körper.
    Es war kurz nach Mitternacht, als der Junge sein Versteck auf
dem Hügel verließ und durch das Tor der Hazienda schlüpfte.
Ein seltsames Schweigen erfüllte den Hof und das Anwesen, es
war, als wollten die Kreaturen den Toten die letzte Ehre
erweisen. Die Amerikaner hatten keine Posten zurückgelassen,
niemand hatte die Leichen zugedeckt. Die Schwadron war zu
den Aufsehern der Hazienda unterwegs. Sie und ihre Familien
würden das gleiche Schicksal erleiden wie Don Roberto und
die Seinen.
    Der Sohn blickte in den nächtlichen Himmel und sprach ein
Gebet für seine Eltern und für seine Schwestern. Als das Gebet
beendet war, wich das Gefühl der Trauer von ihm.
    Er war ein anderer geworden. Es gab viel zu tun.
Er schleppte die Leichen seiner Mutter und seiner beiden
Schwestern zum Hügel, wo er sie mit einer dicken Schicht aus
Zweigen bedeckte.
Als die Morgendämmerung kam, stand der Junge da und
blickte auf das Haus hinab, das einst sein Heim gewesen war.
Die letzten Worte seiner Mutter waren mit Blut in sein
Gedächtnis geschrieben.
Nichts in der Welt konnte die Spuren auslöschen, nichts
konnte den Haß besänftigen, der sich in sein Herz eingegraben
hatte.
Er war entschlossen, in dem Dorf zu bleiben, wo er aufgewachsen war.
Er wuchs zu einem jungen Mann heran. In seinen Träumen
sah er, wie seine Familie abgeschlachtet wurde, in seinen
Träumen hörte er, was seine Mutter gesagt hatte. Er wußte,
worin seine Aufgabe bestand.
War alles wirklich so geschehen, wie er es in seinen
Träumen erinnerte?
Schüsse. Schreie. Blut, das auf die weißgekalkte Mauer
spritzte.
Die Träume waren der treue Begleiter seiner Jugend. Und er
wußte, was er zu tun hatte...

ERSTER TEIL
Erstes Kapitel
    La Paloma war ein Ort, in dem sich die Veränderungen nur
ganz langsam vollzogen. In den Hügeln über Palo Alto
gelegen, war die Ansiedlung vor mehr als hundert Jahren als
spanische Missionsstation gegründet worden. Keimzelle war-
die kleine Plaza, der Dorfplatz. Im Unterschied zu den anderen
Missionsgründungen der Spanier, die es in Kalifornien gab,
war La Paloma nicht in ein Museum umgewandelt worden,
statt dessen wurde das Gebäude als Rathaus genutzt, und die
einstige Schule diente jetzt als öffentliche Bibliothek.
    Hinter der Mission lag ein kleiner Friedhof und jenseits des
Friedhofes einige heruntergekommene Häuser, wo die
Nachkommen der Californios - so nannten sich die ersten
Siedler - lebten. Ihren Lebensunterhalt verdienten sich die
Enkel der Californios, indem sie eine Reihe von
Dienstleistungen für die Gringos verrichteten, für die
Amerikaner, die den ersten Siedlern vor Generationen die
Haziendas weggenommen hatten.
    Zwei Häuserzeilen von der Plaza entfernt stand eine
mächtige alte Eiche, die bei der allmählichen Ausbreitung des
Ortes verschont worden war. Es hieß, daß schon die spanischen
Missionare diesen Baum als unantastbares Wahrzeichen
respektiert hatten, und so war es heute noch. Es gab keine
Bürgersteige in La Paloma, obwohl die Ansiedlung, inmitten
einer menschenleeren Landschaft
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