Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache
Autoren: John Saul
Vom Netzwerk:
vorsichtiger Entfernung.
Sein Instinkt sagte ihm, daß er sich verborgen halten mußte,
und so mied er den Weg, den die Amerikaner benutzten, und
bahnte sich seinen Weg durch die Büsche.
Er konnte sehen, wie die Schwadron vor der Missionsstation
ankam, und spürte, wie seine Angst abebbte. Vielleicht hatten
die Reiter seinen Vater nur zu einer Verhandlung mit dem
amerikanischen Kommandanten begleitet.
Nein.
Die Reiter umrundeten das Missionsgebäude und lenkten
ihre Pferde zu einer großen Eiche, die einst der Mittelpunkt des
Dorfes gewesen war. Es war ein wunderschöner, alter Baum.
Die Indianer hatten im Schatten dieser Eiche kampiert,
Jahrhunderte bevor die Franziskanermönche die Mission
errichteten.
Plötzlich wußte der Junge, was die Reiter tun würden. Er
wußte auch, daß er sie nicht daran hindern konnte.
Er stand wie angewurzelt, den Blick auf die Eiche gerichtet.
Don Roberto wurden die Hände auf dem Rücken zusammengebunden. Einer der Amerikaner hatte einen Strick am
untersten Ast des Baumes befestigt. Don Robertos Rappe
wurde unter den Baum geführt, und dann sah der Junge, wie
die Männer seinem Vater die Schlinge um den Hals legten.
Er versuchte, daß Gesicht seines Vaters zu erkennen, aber
die Entfernung war zu groß.
Einer der Amerikaner versetzte dem Tier mit seiner Reitgerte
einen Hieb in die Flanken, das Pferd schnaubte, schlug aus und
stob davon. Sekunden später war alles vorbei.
Der Rappe galoppierte den Weg zur Hazienda zurück, und
Don Robertos lebloser Körper baumelte in der Schlinge,
umfangen vom Schatten des mächtigen Baumes.
Die Schwadron machte kehrt und ritt im gemächlichen Trab
zur Hazienda zurück.
Der Junge wartete, bis die Reiter außer Sicht waren. Erst
dann näherte er sich der Eiche. Lange Zeit betrachtete er seinen
toten Vater. Er versuchte in den gebrochenen Augen zu lesen,
was er, der Sohn, jetzt zu tun hatte. Aber das Gesicht des
Gehenkten war nur noch eine schmerzverzerrte, im Tode
erstarrte Grimasse. Es war, als hätte Don Roberto de Melendez
y Ruiz immer noch nicht begriffen, was ihm widerfahren war.
Aber der Junge hatte es begriffen.
Er wandte sich ab und verschwand in den Büschen.
    Es war Nachmittag geworden. In der Ferne konnte der Junge
die Nebelbänke erkennen, die sich über dem blauen Band des
Ozeans formten.
    Er sah, wie das Gesinde seiner Eltern die Hazienda verließ.
Keiner der Mägde und Knechte wagte es, den Blick zu den
amerikanischen Wachposten zu erheben, die an den Toren des
Anwesens aufgestellt worden waren.
    Die Mutter des Jungen saß ruhig in ihrem Stuhl, den sie in
den Schatten der westlichen Umfriedungsmauer gerückt hatte,
ihre Töchter standen an sie geschmiegt. Immer noch war Dona
Maria mit ihrer Stickerei beschäftigt. Der Junge konnte sehen,
wie sie den Peones, den Tagelöhnern, Lebewohl sagte, aber es
gab nur wenige, die den Mut hatten, den Gruß zu erwidern.
    Schließlich hatten alle Dienstboden die Hazienda verlassen.
Auf einen Wink des amerikanischen Anführers schlössen die
Wachen das Tor. Der Offizier wandte sich zu Dona Maria. Er
sprach so laut, daß seine Worte weithin zu hören waren. »Wo
ist Ihr Sohn?«
    »Er ist weg«, antwortete die Mutter des Jungen. »Wir haben
ihn letzte Woche weggeschickt.«
»Lügen Sie nicht, Dona Maria. Ihr Sohn ist gestern noch auf
der Hazienda gesehen worden.«
Die Mutter sprach jetzt lauter, und der Junge wußte, daß sie
das tat, um ihm eine Warnung zukommen zu lassen. »Er ist
wirklich nicht hier, Senor. Er ist nach Sonora geritten.«
»Wir werden ihn finden, Dona Maria.«
»Nein. Sie werden ihn nie finden. Dafür wird er Sie aufspüren und zur Rechenschaft ziehen. Ich und meine Töchter,
wir haben keine Angst vor dem Sterben. Aber Sie werden
nichts erreichen, indem Sie uns töten. Wir werden unseren
Grund und Boden nicht verlassen, Senor. Mein Mann hat
gesagt, wir werden bleiben, und so wird es geschehen. Ich
weiß, daß Sie uns töten werden, aber Sie werden dafür teuer
bezahlen. Mein Sohn wird zurückkommen und Sie bestrafen.«
»Wirklich?« fragte der Anführer der Schwadron. »Stehen Sie
auf, Dona Maria.«
Der Junge sah, wie seine Mutter sich erhob. Auch seine
Schwestern standen auf.
»Mein Sohn wird für all das furchtbare Rache nehmen«,
hörte er seine Mutter sagen. »Er wird Sie töten.«
»An die Mauer!« schrie der Offizier. Er hielt der Frau das
Bajonett vor die Nase.
Aber Dona Maria wich nicht von der Stelle. »Sie können mir
keine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher