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Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache
Autoren: John Saul
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bewußt, daß seine Ehe in Gefahr war, aber er sah
keinen Weg, wie er die Untiefen umschiffen konnte. Ständig
gab es neue Probleme. Die einzige Möglichkeit, den
gordischen Knoten zu durchschlagen, bestand wohl darin, daß
sie aus La Paloma wegzogen. Allerdings war das ein Projekt,
über das er und Ellen bereits vor einem Jahr gesprochen hatten.
Sie waren damals zu der gemeinsamen Überzeugung
gekommen, daß ein Ortswechsel keine Besserung bringen
würde. Es half nichts, wenn man vor den Schwierigkeiten floh,
anstatt sich ihnen zu stellen.
Das Problem waren nicht Alex' schlechte Noten, sondern das
Geld. Ellen schien auf die Linie jener Menschen
einzuschwenken, die alles mit Geld lösen wollten.
Nein, dachte er. Ich tue ihr Unrecht. Weder sie noch ich
tragen Schuld an all diesen Schwierigkeiten. Schuld ist die
Welt, in der wir leben. Wir müssen uns beide den veränderten
Bedingungen anpassen, bevor unsere Ehe völlig zerrüttet ist.
Er beschloß, seine Arbeit im Büro heute früher als üblich zu
beenden. Er würde dafür sorgen, daß die Freude, die seine Frau
über die Teilnahme des Sohnes an der Abschlußfeier empfand,
ungetrübt blieb.
    Alex Lonsdale stand an das Waschbecken im Bad gelehnt. Der
Fleck auf seiner Wange, so sagte er sich, war kein Pickel,
sondern eine Hautreizung, die durch den Gebrauch des
elektrischen Rasierapparates entstanden war. Er hatte den
Apparat seines Vaters benutzt. Nicht, daß es viel zu rasieren
gab. Alex, der vor einem Monat seinen sechzehnten Geburtstag
gefeiert hatte, hatte keinen Bart, sondern das, was man bei
optimistischer Beurteilung als Flaum bezeichnen konnte.
Immerhin, als er den Apparat reinigte, fielen ein paar
abgeschnittene Stoppeln heraus. Zufrieden legte er das Gerät
ins Regal zurück, verließ das Bad und eilte durch den Flur in
sein Zimmer, wobei er den Streit zu überhören versuchte, der
sich in der Küche zwischen seinen Eltern entsponnen hatte.
    Seit einer Stunde ging das nun schon so, genaugenommen,
seit Alex vom Abendessen aufgestanden war, um sich für die
Abschlußfeier umzuziehen. Vertraute Töne. Während er mit
den Manschettenknöpfen des geliehenen Smokinghemdes
kämpfte, dachte er darüber nach, wie das alles enden sollte.
    Er haßte es, wenn seine Eltern stritten. Immer wieder hatte er
versucht, sich von dem Gezeter abzuschotten, das durch den
Flur in sein Zimmer drang. Vergeblich. In dem neuen Haus,
das sie nun bezogen, würde das besser sein. Dort gab es dicke
Wände. Das Zimmer, das für ihn vorgesehen war, lag im ersten
Stock der Hazienda, weit entfernt von der Küche, wo die Eltern
ihre Kämpfe auszutragen pflegten.
    Er warf einen Blick auf die Armbanduhr, die er auf den
Tisch gelegt hatte. In spätestens fünf Minuten muß ich los,
dachte er, sonst komme ich zu spät. Er schlüpfte in seine
Hosen, streifte sich die Smokingweste über und überprüfte sein
Aussehen durch einen Blick in den Spiegel.
    Er ging in die Küche, wo er seine Eltern vorfand. »Nun?«
fragte er.
»Du siehst fantastisch aus«, sagte Ellen Lonsdale und zog
Alex in ihre Arme. Sie gab ihn frei, um ihn aus einigen
Schritten Entfernung zu bewundern. »Wirklich.« Sie küßte ihn.
»Und jetzt mußt du los. Wir wünschen dir einen
wunderschönen Abend. Fahr vorsichtig.« Sie wechselte einen
Blick mit ihrem Mann und war dankbar, daß sich in seinen
Augen die gleiche Besorgnis widerspiegelte, die sie empfand.
»Bis dann«, sagte Alex. Er stand auf der Schwelle. »Ich
fahre jetzt. Wenn ich Lisa zu spät abhole, reißt sie mir den
Kopf ab.«
»Viel wichtiger ist, daß du keinen Unfall baust«, sagte Ellen,
»sonst ist kein Kopf mehr da, den Lisa dir abreißen könnte.
Übrigens hast du das Wichtigste vergessen.«
»Nämlich?«
Ellen ging zum Kühlschrank. Sie nahm das Ansteckbukett
für Lisa und die weiße Nelke, die für den Smoking ihres
Sohnes bestimmt war, heraus. »Für das schönste Paar des
Abends.«
»Warum hast du keine rote Nelke besorgt, Mutter?« fragte
Alex. »Rot wäre doch viel hübscher gewesen.«
»Rot paßt nur zu einem weißen Dinnerjackett, nicht zu
Schwarz«, gab Ellen zur Antwort. Sie betrachtete ihren Sohn
mit unverhohlenem Stolz. Er sah wirklich gut aus. Die dunklen
Augen und die schwarzen Locken hatte er von ihr, die helle
Haut und die kräftige Gestalt von seinem Vater. Sie, die
Mutter, war nicht die einzige, die von dieser Kombination
angetan war. In den letzten Monaten hatten die
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