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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt
Autoren: Werner Schmitz
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die Tochter eines der großen Schuhverkäufer
des Landes. Sie hatte es im Dressurreiten einst bis ins Olympiateam gebracht
und kürzlich mit viel Bohei ihre eigene Schuhlinie Di vorgestellt, Ökopumps aus mit Dorschtran gegerbtem Leder, die
Birkenstöcke wie Tretboote aussehen ließen. Ein Fotograf wollte unbedingt die
High Heels der Kollektion, die Diana Steinkamp an diesem Abend eigenfüßig trug,
mit aufs Bild bekommen. Er kroch vor den Damen auf dem Bauch. In Berlin wurde
die Steinkamp als nächste Umweltministerin gehandelt.

    Als der ärgste Auflauf vorbei war, krallten sich die
beiden Frauen Stefan Bartelmus und redeten auf ihn ein. Zuhörer scheuchte die
Kandidatin mit einer Bewegung aus dem Handgelenk weg. Bartelmus nickte
Zustimmung zu jedem Halbsatz der Politikerin. Bartelmus redete nicht, er hörte
zu. Bartelmus brüllte nicht, er säuselte. Nach einer Weile sah er sich suchend
im Saal um. Als seine Augen Schreibers Blick begegneten, zeigte er mit dem
Finger auf ihn und winkte ihn heran. Der Reporter blickte sich vorsichtshalber
um, aber da war niemand außer der Wand. Er drückte seine Zigarette aus, trank
sich noch einen Schluck Mut an und wollte gerade los, als Bartelmus schon »Hannes!«
brüllte. Ein paar Dutzend Köpfe fuhren herum. Unterwegs spürte Schreiber die
Blicke, die ihm folgten.

    Bartelmus stellte den Reporter vor. »Das ist Hannes
Schreiber, unser Mann für wilde Tiere.« Schreiber gab der Spitzenfrau die Hand
und wunderte sich, dass sie ihn mit der Linken an den Arm fasste wie einen
alten Bekannten. Wenn sie wollte, konnte die Kandidatin warm und gewinnend
lächeln. Vor Schreck machte Hannes einen Diener. Diana Steinkamp begrüßte ihn
eher distanziert, eine Frau um die vierzig mit langen, fransigen Haaren und
einem breiten Mund, den sie zu einem spärlichen Lächeln verzog.

    »Schreiber hat für uns eine Geschichte über die Rückkehr
der Wölfe geschrieben. Bei der Recherche ist er fast erschossen worden.«
Bartelmus gab gern damit an, dass seine Leute ihren Hintern für sein Magazin riskierten, auch weil die
investigativen Zeiten des Blattes längst vorbei waren.

    »Ach Sie waren das.« Es war nicht herauszuhören, wie Schreibers
Bericht bei Diana Steinkamp angekommen war. »Dann interessieren Sie sich bestimmt
auch für Bären.«

    »Wenn es keine Berliner Bären sind.«

    Man lachte mäßig über Schreibers Schnack. »Es geht um
rumänische Braunbären«, sagte die Steinkamp.

    Die Kandidatin machte Anstalten sich zu absentieren. »Diana,
am besten stellst du Herrn Schreiber in aller Ruhe dein Projekt vor. Ich muss
mich mal dem Volke zeigen.« Sie blitzte noch mal in die Runde und gesellte sich
zur nächsten Gruppe. Bartelmus dackelte hinterher.

    »Wichtige Geschichte«, raunte er Hannes im Vorbeigehen
zu. »Vermassel es nicht!«

    Schreiber nickte. Er kannte Stefan lange genug, um zu
wissen, dass Bären auf dem Balkan seinen Chef ähnlich interessierten wie Läuse
in Litauen. Aber das Magazin galt in
konservativen Kreisen immer noch als linksliberal, und das galt es zu ändern,
spätestens jetzt. Eine von der Kandidatin protegierte Magazin -Geschichte passte perfekt in die Zeit.

    »Wollen wir zu mir nach oben?« Im Hintergrund hatte eine
Tangotruppe begonnen, die Luft aus ihren Akkordeons zu quetschen. Hannes hatte
keine Lust, gegen den Lärm anzuschreien. Außerdem hatten seine Ohren beim
Schießen gelitten. Gespräche vor Geräuschkulisse ließen sie pfeifen.

    Diana Steinkamp grinste. »Mein Dad hat mir zwar verboten,
abends zu fremden Männern aufs Zimmer zu gehen, aber das liegt schon etwas
zurück.«

    Gemeinsam gingen sie zum Lift, der an diesem Abend nur
mit Hausausweis in Bewegung zu setzen war. Eine Vorsichtsmaßnahme, weil die
Sekretärinnen am Morgen nach dem letzten Sommerfest einen Mann unter ihrem
Schreibtisch gefunden hatten, der dort seinen Rausch ausschlief.

    Hannes führte die Steinkamp auf die Dachterrasse und
legte ihr die Hauptstadt zu Füßen. Der fette Mond glitzerte im Spreewasser, die
Reichstagskuppel strahlte wie ein gerade gelandetes Ufo. Der Blick vom zehnten
Stock auf das nächtliche Berlin machte Eindruck auf Menschen aus der Provinz.
Schreiber stand oft hier, wenn sein Alltag lang geworden war.

    An diesem Abend blies ein zugiger Wind aus Osten. Diana Steinkamp
trug einen löchrig gestrickten Schlabberpulli, dem man seinen Preis nicht
sofort ansah. Sie fröstelte. »Gehen wir rein!« Nicht fragend, bestimmend.

    Obwohl er nicht auf Besuch
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