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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt
Autoren: Werner Schmitz
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zeitig zu Bett. Schreiber
beobachtete den Mann, der in den Siebzigerjahren einmal Außenminister gewesen
war. Im kognakbraunen Maßanzug mit beigen Nadelstreifen schritt der elder statesman schnurstracks auf einen
weichen Sessel zu, ließ sich darin nieder und hielt Hof. Ein paar angejahrte
Künstler stolzierten herein, Schriftsteller, die keinen Einkaufszettel
schrieben, ohne die Medien von diesem literarischen Vorhaben zu unterrichten.
Filmemacher, die behaupteten, alle Angebote aus Hollywood abgelehnt zu haben.
Sie ließen sich widerwillig zu aktuellen Projekten befragen, schwadronierten
lieber von vergangenen Großtaten und tranken ihren Rotwein sehr schnell.

    Hannes nahm einen Schluck von dem Bier, das eine
sächsische Großbrauerei für das Fest gespendet hatte. Das Glas war zu groß, und
weil er nicht schnell genug trank, schmeckte das Pils schal. Es war das erste
Sommerfest des Magazins, seit er als
Reporter ins Berliner Büro gewechselt war. Hannes fremdelte. Er hatte gehofft,
seinen beruflichen Sinkflug in der Hauptstadt stoppen zu können. Das Gegenteil
war eingetreten. Alle spielten sie hier irgendwelche Rollen, und selbst wenn
ein Politiker ihn für ein Porträt näher heranließ, achteten seine Aktentaschenträger
darauf, dass ihr Herr und Meister gut ›rüberkam‹. Nach einem halben Jahr Berlin
schwante Schreiber, dass er in diesem Schauspiel eine Fehlbesetzung war.

    Langsam füllte sich das Foyer des Medienhauses an der
Spree mit dieser Mischpoke aus Politik und Journalismus, Showbiz und
Lobbyismus. Ein Heuschreckenschwarm, der den Himmel über Berlin verdüsterte
und, wo er einfiel, abgefressene Büfetts zurückließ. Eine Karawane, deren
Kamele jeden Abend in einer anderen Oase getränkt wurden. Sie soffen, als
hätten sie eine lange Durststrecke hinter und eine noch längere vor sich.

    Eine merkwürdige Stimmung überlagerte das Fest, eine Art
lärmender Stillstand zwischen den Zeiten. An Schreibers Nachbartisch tuschelten
zwei Mittvierziger. »Was für ein Beamter bist du? Können die dich an die Luft
setzen?« Kopfnicken. Die Regierungspartei hatte alle Landtagswahlen verloren.
Ihr Kanzler wollte Neuwahlen, um dem Spuk ein Ende zu machen, so oder so.

    Ein paar seiner Minister waren dennoch zum Sommerfest des Magazins gekommen. Stefan Bartelmus,
Schreibers Chefredakteur, begrüßte sie artig am Eingang. Bartelmus war Anfang
fünfzig, wirkte aber mit seinem vollen Blondhaar und den blitzblauen Augen
deutlich jünger. Er trug selbst an diesem Abend keine Krawatte und wirkte wie
immer, wenn Politiker in der Nähe waren, unbeholfen. Hannes sah, wie Bartelmus
sich zwischen zwei Gästen abwandte und am Fingernagel kaute. In seinem Büro mit
Hafenblick tat er das nie. Dort griff Bartelmus ungeniert in die Nivea -Dose und cremte sich, von
Besuchern unbeeindruckt, das jungenhafte Gesicht ein. Hamburg war sein
Heimspiel, Berlin war Hauptstadt.

    Die Ministerialen an Schreibers Nachbartisch hatten
offenbar Galgenhumor. »Guck dir mal unsere Chefs an«, raunzte der kleinere, »wirken
jetzt schon wie ein Schattenkabinett.« Tatsächlich standen die Minister auf
einem Haufen und hielten sich an ihren Gläsern fest. Als sie endlich
beschlossen, sich unters Partyvolk zu mischen, teilten sich die Menschentrauben
vor ihnen wie das Rote Meer. Manche grüßten mit einen knappen Kopfnicken.
Andere grinsten hämisch.

    Mittags beim Italiener hatte Hannes sich von einem
Kollegen den Unterschied zwischen vermeintlich und wirklich wichtigen
Festbesuchern verklaren lassen. Auf jeder Party gebe es Geher und Steher,
meinte der altgediente Politikredakteur. »Die Geher kannst du vergessen,
Schreiber. Die suchen nur einen, den sie vollquatschen können. Die Steher sind
die Stars. Die müssen ihr Publikum nicht suchen. Um die scharen sich die Leute
und lachen wie irre über die schlappsten Sprüche.« Hannes sah den Verteidigungsminister,
nur von seiner Gattin begleitet, durch den Saal irren und wusste Bescheid.

    Als das Fest schon zu verläppern schien, tauchte die
Spitzenfrau der Opposition auf. Aus allen Ecken hasteten Fotografen herbei und
überschütteten sie mit Blitzlicht. Stefan Bartelmus strahlte mit ihr in die
Kameras. Der Saal hatte plötzlich einen Mittelpunkt, um den sich alles drehte.
Zwei Talkshowqueens drängelten dahin. Sie trugen dieselbe Sorte Blazer wie die
Kandidatin, und zum selben Figaro gingen sie auch.

    Ihre Begleitung brauchte die Kanzlerkandidatin niemandem
vorzustellen. Diana Steinkamp war
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