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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert
Autoren: Richard Morgan
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rhythmischen Rufe der Verkäufer, die ihre Waren anpriesen.
    Die Hitze war wie eine Decke. Straßenstaub wehte unter dem Getrappel der Füße auf.
    Egar trieb über alles hinweg wie ein Schwimmer mit der Strömung  – genoss eine Weile lang das immer noch stechend scharfe, durchdringende Gefühl der Freude, einfach hier zu sein, an diesen Ort zurückgekehrt zu sein, nachdem er geglaubt hatte,
ihn niemals wiederzusehen. Aber letztlich brachte es nichts. Unausweichlich ging sein Blick hoch nach Westen, zu den stattlichen, baumbeschatteten weißen Herrenhäusern entlang des Hafenbergs. Zu einem bestimmten Haus sogar, mit der mosaikbesetzten Kuppel am südlichen Ende, wo sie ihm im Augenblick wahrscheinlich …
    Komm schon, Drachentöter! Wirklich. Lass es gut sein!
    Zu spät. Sein Blick blieb an dem Glitzern und Blinken der Kuppel hängen wie eine Klinge in einer vereisten Scheide. Er spürte, wie seine Stimmung in den Keller sank. Spürte den unvernünftigen Ärger aufflammen, wie stets.
    … wahrscheinlich in diesem großen Bett den Schwanz lutschte …
    Werd’ mal erwachsen, Eg! Du hast gewusst, dass du damit würdest leben müssen. Abgesehen davon  – die Gerissenheit des Steppennomaden kehrte in seinen Verstand zurück, Überrest eines Mannes, von dem er sich manchmal fragte, ob er es noch immer selbst war – ist es viel zu knapp vor der Gebetsstunde für so etwas. Er ist ein frommes kleines Arschloch, vergiss das nicht. Das hat sie dir zumindest gesagt.
    Wie zur Bestätigung dessen trieb der Ruf des Predigers von einem Turm irgendwo hinter ihm herab. Egar setzte ein halb verzerrtes Grinsen auf, hinter dem er sich verstecken konnte, und behielt es bei. Die Erinnerung an Imrana war unausweichlich mit dem klagenden Schmerz dieses Lauts fern am Horizont verbunden.
    In den alten Tagen, als die Leidenschaft zwischen ihnen bei jeder Berührung aufgeflammt war, bei jedem bedeutungsvollen Blick, hätte ein Verstoß gegen die Stunde des Gebets sie entzündet wie eine mit Öl getränkte Kerze. Die Augen groß, die Lippen geöffnet, das Gesicht vor entsetztem Entzücken angespannt wegen dem, was er ihr antat, wann er es ihr antat. Hin und wieder
fing er einen fernen Duft dieser Erinnerung aus jenen Tagen auf und wurde allein schon beim Gedanken daran knüppelhart.
    Und später dann, als sie sich in dem Harnisch ihrer gegenseitigen Anziehung wohler fühlten, verbrachten sie nach wie vor postkoitale Abende draußen auf den Balkonen ihrer Räumlichkeiten, die schweißnassen Glieder miteinander verschlungen, horchten auf den Abendruf und sahen die Sonne mit den Schichten aus Hitze und Staub über der westlichen Stadt verschmelzen.
    Sein Lächeln erstarb, wurde hässlich unter der Last der gegenwärtigen Ereignisse. Großoffizier, verdammter, oder nicht. Drachentöter, eines Tages solltest du einfach …
    Er packte den Gedanken beim Kragen. Es reicht.
    Er musste woanders hin. Eindeutig.
     
    Die Gewohnheit lenkte seine Füße nach Süden und brachte ihn auf den Boulevard des Unbeschreiblich Göttlichen. Archeth war bestimmt noch nicht von An-Monal zurück, aber unterdessen konnte er mit Kefanin plaudern und Ishgrim anzügliche Blick zuwerfen, falls sie sich herabließ zu erscheinen. Und überhaupt und sowieso, ermahnte er sich selbst ein bisschen mürrisch, war es seine Aufgabe, auf alle ein Auge zu haben; das war die beschönigende Übereinkunft, die er und Archeth beibehielten – sein Platz als Langzeit-Hausgast bezahlte er, indem er informell für ihre Sicherheit sorgte.
    Dass dabei nicht wesentlich mehr herauskam, als im Haus sichtbar zu sein, und sichtbar ein Majak, darüber wurde nie gesprochen. Auch nicht über die kleinen Beutel mit Silbermünzen, die regelmäßig in den Taschen seiner Kleidung steckten, wenn sie von der Reinigung zurückkam und in seinen Räumlichkeiten auslag.

    Er versuchte, das Gefühl zu unterdrücken, ein Haushund zu sein.
    In Wahrheit lag der Überfall der Zitadelle auf Archeths Haushalt jetzt gut drei volle Jahreszeiten zurück, und angesichts des Ergebnisses erschien es eher unwahrscheinlich, dass dieselben Mächte es erneut versuchen würden. Menkarak und seinesgleichen waren zurückgewichen. In diesen Tagen sah es so aus, als schwebte eine gewaltige Waage in einem heiklen Gleichgewicht am Himmel über Yhelteth und das eine hohle Messinggewicht hinge über dem Palast des Imperators und das andere über dem hohen Felsen und dem Bergfried der Zitadelle.
    Niemand wollte dieses
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