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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert
Autoren: Richard Morgan
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Gleichgewicht stören, wenn es sich eben vermeiden ließ.
    Er verspürte sie erneut – dieselbe brodelnde Rastlosigkeit, vertraut, jedoch nicht fassbar.
    Könntest natürlich immer nach einem richtigen Job suchen, Drachentöter.
    Könnte er, und mit seinem Beinamen wären die Angebote gewiss nicht knapp; um Männer zu finden, die Drachentöter genannt wurden, musste man meistens auf die Friedhöfe gehen – es liefen nur noch wenige herum, und sie waren weit verstreut. Jedes Regiment in der Stadt würde sich dafür umbringen, einen Drachentöter als Kommandanten oder gar Paradeoffizier zu haben. Aber ein Kommando, selbst eine Sinekure, würde Verantwortung mit sich bringen – er müsste Paraden beiwohnen sowie einhundert anderen langweiligen bebänderten Regimentsaffären der einen oder anderen Art, während er wirklich lieber irgendwo auf einem sonnenbeschienenen Balkon Imrana ficken würde. Oder einen trinken oder mit Archeth herumhängen. Und ein echtes Kommando wäre noch schlimmer – wie die Dinge gerade lagen, würde er höchstwahrscheinlich südlich nach Demlarashan
beordert werden, wo er das Abschlachten von noch mehr verblendeten, schlecht bewaffneten jungen Männern überwachen müsste, die irgendwie anscheinend beim letzten Krieg die Nase noch nicht voll davon bekommen hatten.
    Der Krieg; die anschließenden Jahre als Klanherr auf der Steppe  – es hing ihm immer noch nach. Es saß ihm jedes Mal im Magen und in der Kehle, wenn er daran dachte, wie das Gefühl, das man am Morgen hatte, wenn noch zu viel Essen und Wein von einem überbordenden Festmahl am Abend zuvor unverdaut waren. Es war ihm egal, ob er jemals im Leben noch ein Kommando bekäme oder nicht.
    Er hatte einfach keine Lust mehr, Männern Befehle zu erteilen.
    Sollen die Dummköpfe es zur Abwechslung doch mal selbst hinkriegen.
    Er erreichte Archeths Haus in genau dieser Stimmung. Trat von der belebten Straße ein und blieb in den kühlen Schatten des Tors stehen, um sich den Schweiß von Hals und Stirn zu wischen. Die beiden dort stationierten jungen Wächter nickten ihm achtsam zu. Achtsamer, als man erwarten würde, wenn man bedachte, dass er mehrmals beim Wachwechsel mit ihnen Würfel gespielt hatte.
    Er setzte ein gezwungenes Grinsen auf.
    »Alles in Ordnung, Jungs? Habt ihr Lady Archeth überhaupt schon zu Gesicht bekommen?«
    Der Mann links schüttelte den Kopf. »Noch kein Wort, Mylord.«
    Achselzucken. Dann also Kefanin.
    Er überquerte die sonnenhellen Pflastersteine des Innenhofs, trat ins Haus und suchte eine Weile, bis er den Eunuchen schließlich in einem der Patios im Gespräch mit Ishgrim fand. Egar bekam nicht mit, worüber sie sprachen, aber seinem
neidischen Blick schienen sie für eine junge Frau mit Ishgrims Proportionen und einem Mann ohne Eier viel zu gut miteinander auszukommen. Das Sklavenmädchen lachte und strich sich das lange, kerzenwachsfarbene Haar aus den Augen. Die Kurven ihres Körpers verschoben sich unwillkürlich in dem gelben Leinenkleid, strafften das Material an Hüfte und Brust. Kefanin vollführte eine komplizierte Geste mit beiden Händen, schüttelte ein rotes seidenes Taschentuch hervor und spreizte weit die Finger, sodass es dazwischen herabhing. Eine kleine Kaskade weißer Rosenblüten rieselte auf die steinerne Bank zwischen ihnen herab. Ishgrim holte überrascht Luft und klatschte wie ein kleines Kind in die Hände. Dadurch drückte sie ihre Brüste zusammen, sodass sie sich hoben, ganz und gar nicht wie bei einem kleinen Kind. Bei diesem Anblick spürte Egar ein Pulsieren in seinem Geschlechtsteil.
    Nicht ganz das, was er jetzt gerade brauchte.
    Er machte sich durch ein Hüsteln bemerkbar.
    »Hallo, Kef.«
    Der Eunuch stand eilig auf. »Mylord!«
    »Also keine Spur von Archeth?«
    »Nein. Normalerweise hätte ich sie inzwischen zurückerwartet, aber …«
    »Aber sobald sie da oben in diesem Haus voller Phantome ankommt, weiß niemand irgendwas, verdammt.« Die Worte kamen knurriger heraus, als Egar beabsichtigt hatte. »Stimmt’s?«
    Kefanin schürzte diplomatisch die Lippen.
    »Möchtet Ihr eine Erfrischung, Mylord?«
    »Nein, mir geht’s gut.« Egar warf einen Blick auf Ishgrim hinab und überlegte nicht zum ersten Mal, wie Archeth sich dermaßen im Zaum halten konnte. Wenn das Mädchen seine Sklavin gewesen wäre – ein Geschenk des Imperators, nicht weniger,
und eine bessere Legitimation konnte es kaum geben –, hätte er diese Kurven schon vor Monaten erobert, verdammt!
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