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Das kalte Jahr: Roman (German Edition)

Das kalte Jahr: Roman (German Edition)

Titel: Das kalte Jahr: Roman (German Edition)
Autoren: Roman Ehrlich
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festgestarrt hatte, reglos und ohne einen einzigen Gedanken. Mein Körper war unbeschreiblich schwer geworden auf dem Stuhl, und ich bemerkte, dass ich weder meinen Mantel ausgezogen noch meine Mütze abgenommen hatte. Mir wurde heiß, mein Gesicht glühte, ich wollte aufstehen, war aber nach dem schweren Essen schläfrig und träge geworden. Vor der Glastür am Eingang sah ich draußen, an einem hohen Aschenbecher, eine Angestellte des Restaurants eine Zigarette rauchen und dabei schnell auf der Stelle treten, um sich warm zu halten. Ich wollte zu ihr hingehen und ein Gespräch anfangen, aber als ich es schließlich geschafft hatte, mich von dem Stuhl hochzudrücken, warf sie schon ihren Zigarettenrest in den Aschenbecher und verschwand mit schnellen Schritten irgendwo hinter dem Gebäude.
    Draußen war nichts mehr vom Grau des Tages übrig geblieben, die ganze Landschaft weggesunken in eine schwarze Nacht, und durch den Lichtschein der hoch aufragenden Laternen auf dem Rastplatz fiel jetzt neuer Schnee in feinen Flocken.
    Unsagbar müde näherte ich mich dem Hotelgebäude, manchmal schloss ich für eine Weile die Augen und spürte, wie der Schnee auf meinen Lidern schmolz. Wenn ich sie dann wieder öffnete, einen Spaltbreit, um mich zu vergewissern, dass ich weiterhin auf dem rechten Weg lief, sprühten lange, sternförmige Lichtreflexe aus den Laternen und den Scheinwerfern der Autos.
    Ich schob mich durch die Drehtür in den Empfangsbereich des Hotels, einen gefliesten Raum mit niedriger Decke, und wie ferngesteuert ging ich geradeaus, zu einem leuchtenden Cola-Automaten an der gegenüberliegenden Wand, an dem mein Blick sich festgefangen hatte. Erst als ich davorstand, merkte ich, dass ich nichts von der Maschine wollte. Ich drehte mich herum, bis ich den Rezeptionstresen im Blick hatte, hinter dem ein nachlässig uniformierter Junge saß und in einen Computerbildschirm starrte. Aus dem Augenwinkel hatte ich schon ein paar schmächtige Ledersessel gesehen, die auf einem bunten Teppich um einen Glastisch herum angeordnet waren und den Eindruck machten, als hätte sich noch niemals jemand in sie hineingesetzt.
    Kurz war da der Wunsch, einfach in diesen Möbeln eine Weile auszuruhen, bis ich mich kräftig genug fühlte, mit dem uniformierten Jungen zu sprechen. Ich glaubte nicht mehr lange auf meinen Beinen bleiben zu können.
    An der Wand über dem Schlüsselregal der Rezeption war ein abstraktes Gemälde von großem Format angebracht. Rot, Gelb und Orange, kleine blaue Flecke, einige kohlenschwarze Striche, aggressiv hineingeworfen, schon im Zerfließen angedeutete Formen, ein Feuersturm, dachte ich mir. Jemand hatte dieses Bild aus einem Brand heraus gemalt, in einer unglaublichen Konzentration in die Flammen geschaut, die Hitze im Gesicht, und darunter saß, im weißlich fahlen Widerschein des Monitors, der uniformierte Junge, auf den ich mich zubewegte, nur von der Aussicht auf ein Bett schrittweise weitergestoßen und so halb schon eingeschlafen, dass ich wusste, sobald ich die Augen schloss, würde ich übertreten in die Traumwelt.
    Ich sollte ein Formular ausfüllen, in dem meine Handschrift dann seltsam schwammig aussah, und bekam einen Zimmerschlüssel, den Preis bezahlte ich im Voraus. Der Junge wünschte mir eine gute Nacht, ich zeigte mit schlaffem Arm auf eine der weißen Pressspantüren mit den goldfarbenen Klinken, die vom Eingangsbereich abgingen, und er wies mit einer einstudierten Handbewegung, wie ein Steward im Flugzeug, auf ein Schild an der Wand. Ein Treppensymbol war darauf abgedruckt, ein Richtungspfeil und eine Reihe Zimmernummern.
    In der Nacht schraubte ich mich unruhig durch das steife Bettzeug und durch ein wirres Gezeter in meinem Kopf. Zuerst wachte ich auf und zog mich aus, dann wachte ich auf, um das Fenster zu öffnen, und noch mal, um es wieder zu schließen. In den Zeiten, die ich nur halb weggedämmert verbrachte, wechselte draußen auf dem Rastplatz eine große, umfassende Ruhe mit dem Aufdröhnen von Motoren, den wummernden Bässen aus einer High-End-Anlage in einem Kleinwagen, dem davon die ganze Karosserie schepperte, Lachen und dann wieder zurück in Nichts und Stille. Die Laternen, die den Rastplatz beleuchteten, blieben die ganze Nacht in Betrieb. Ein helles Lichtquadrat fiel in den Raum, auf die Ecke, in der mein Rucksack stand, und auf die Zimmertür daneben in einer Art, dass ich dachte: wie für einen Auftritt. Jemand müsste hereinkommen und die Augen abschirmen mit
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