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Das kalte Jahr: Roman (German Edition)

Das kalte Jahr: Roman (German Edition)

Titel: Das kalte Jahr: Roman (German Edition)
Autoren: Roman Ehrlich
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endlose Gluckern aus dem Einfüllstutzen in den Tank, das Rattern der Säule beim Zählen von Litern und Geldbetrag unheimlich nervös.
    Ich tat einen Schritt aus der Stadt hinaus in die verschneite Landschaft, in Richtung Norden, wo das Land übergeht ins Meer, wo an der Küste, nah an einen breiten Strand gebaut, das Haus meiner Eltern steht, in dem ich aufgewachsen bin und auf dessen Klingel ich meinen Finger legen würde, ohne Vorankündigung. Wo ich ein paar Tage oder ein paar Wochen verbringen könnte und nachdenken über die Vergangenheit und die nächste Zukunft.
    Nach wenigen Hundert Metern, die ich eine Landstraße entlanggelaufen war, hatte sich um die Stadt schon ein dunstiger, kalter Nebel gelegt. Es war nicht mehr mit Sicherheit zu sagen, ob die dunklen Schemen der Hochhäuser tatsächlich noch dort zu sehen waren oder vielleicht schon auf das Grauweiße, das immer dichter um mich herum aufzog, von meiner bereits verdämmernden Erinnerung aufgemalt wurden. Ein kurzes Zurücksehen vielleicht, nach den ruhig am Stadtrand liegenden Hochhaussiedlungen, die ich in einem hohl in meinem Kopf umherlaufenden Selbstgespräch abwechselnd als mein Zuhause oder die Zivilisation bezeichnete, schließlich aber als Nichts richtig zu greifen bekam, das Zurückschauen also einfach bleiben ließ und nur noch auf das andere eintönige Gespräch meiner im Schnee knirschenden Stiefel hörte.
    Die Straße, an der ich entlanglief, zog sich als feucht-schwarze Linie durch die Landschaft. Lange bevor sie schließlich auftauchten, waren die vorbeifahrenden Autos aus der Ferne zu hören, angekündigt durch das Fauchen der nassen Reifen auf dem Asphalt.
    Nach einiger Zeit mündete die Landstraße, an der ein parallel geführter Radweg verlief, auf dem es sich gut gehen ließ, in den Beschleunigungsstreifen einer mehrspurigen Bundesstraße. Gelbe Schilder zeigten in Richtung kleiner Ortschaften nahe der Stadt. Der Fahrradweg knickte kurz vor der Kreuzung ab, lief rot markiert über die Fahrbahn, die er die ganze Zeit begleitet hatte, und führte auf der anderen Seite wieder zurück in die Stadt. Hinter diesem Knick stieg sanft das verschneite Metall einer Leitplanke aus dem Boden, nahm den Verlauf der Bundesstraße an und zog sich an deren Rand bis zum Horizont. Im regelmäßigen Abstand von fünfzig Metern waren Leitpfosten aufgestellt, mit ebenfalls vom Schnee verklebten Reflektoren. Ich lief weiter auf der Böschung, die hinter der Leitplanke schief abfiel, bis mir von diesem schrägen Gehen der Rücken wehtat, dann lief ich im angrenzenden Feld, das unter der Schneedecke sehr uneben war von Aufwerfungen, Ackerfurchen, Traktorrillen und Steinen. Ich überquerte einen Bewässerungsgraben mit einem Sprung, der Verkehr auf der Bundesstraße war stärker geworden. Unausgesetzt fuhren jetzt Autos in Richtung der Stadt oder in Richtung der Autobahn, die irgendwo in dem grauen Dunst vor mir in der Landschaft lag. Auf dem offenen Feld war ein kalter Wind aufgekommen, der mir ins Gesicht biss an den Stellen, die nicht von meinem dunkelgrauen Wollschal umwickelt waren, der auf der Innenseite warm und feucht vom Atem auf den Lippen lag.
    Außer diesem Schal trug ich gefütterte Lederhandschuhe, eine Wollmütze und einen dicken Mantel, schwere Wanderstiefel und einen kleinen Rucksack auf meinem Rücken, in dem sich ein paar Äpfel befanden, eine zusammengerollte Tageszeitung, die ich beim Verlassen des Hauses aus dem Briefkasten eines Nachbarn gezogen hatte, ein Rest Brot, ein Fotoapparat und eine Thermoskanne mit heißem Wasser. Wenn ich schnell genug ging, wurde mir in dieser Kleidung so warm, dass mein Kopf unter der Mütze zu jucken begann, dann ging ich wieder etwas langsamer. Nur wenn ich irgendwo stehen blieb, um mir etwas anzusehen, eine große Werbetafel oder einen Jägerstand, wenn ich in einiger Entfernung ein Tier sah und es nicht verscheuchen wollte, wurde mir schnell kalt, vor allem an den Füßen.
    Nach einigen Stunden des Gehens entlang der Bundesstraße inspizierte ich eine Scheune, die an einem sich leicht noch unter der Schneedecke abzeichnenden Feldweg lag und in der sich mit weißer Plastikfolie umwickelte Heuballen befanden. Im hinteren Bereich, kaum mehr sichtbar in der fensterlosen Konstruktion, eine schwarze Abdeckplane über etwas Aufgehäuftem, die mit alten Autoreifen beschwert war. Es roch nach gar nichts, obwohl das Holz der Außenwände sehr feucht war und auf dem erdigen, platt getretenen Fußboden auch
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