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Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest
Autoren: Marc-Uwe Kling
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vernünftig zu sein, aber das steht wahrscheinlich auf deiner Not-to-do-Liste«, sage ich.
    »An zweiter Stelle«, sagt das Känguru.
    Es kratzt sich an der Nase.
    »Wir müssen zur Müllkippe fahren und dort so viel Müll klauen, dass wir die Tür des Pinguins komplett unter Müll begraben können«, sagt es.
    »Oder aber«, sage ich nach einer kurzen Pause, »wir machen das nicht.«
    »Das wäre die Alternative«, sagt das Känguru.
    Ich stöbere mit dem Schuh im Müll.
    »Du hast dir Yogurette gekauft?«

      3 Er meint Tasten. Anm. des Kängurus

Schlecht gelaunt sitze ich in einem Café neben dem Theater und lasse mein neues Plastik-Jo-Jo hoch- und runterrollen. Auf der anderen Straßenseite wird an einer Werbetafel gerade ein neues Plakat der Initiative Für Mehr Arbeit angebracht. Darauf sieht man eine adrett lächelnde junge Frau mit Headset. Unter dem Bild steht in großen Lettern: »Ich bin nur froh – im Großraumbüro.«
    Das Känguru kommt die Straße runtergetrottet.
    »Na, allet schick?«, fragt es und setzt sich zu mir an den Cafétisch.
    »Du bist zu spät«, sage ich verärgert.
    »Na, dann verpassen wir halt die ersten fünf Minuten.«
    »Es gibt keinen Nacheinlass.«
    »Wieso bist du nicht einfach reingegangen?«
    »Du hast die Tickets.«
    »Ach, echt?«, fragt das Känguru und kramt in seinem Beutel. »Äh … kuck an. Äh … hab ich offenbar zu Hause vergessen.«
    Ich sage nichts und starre auf mein Jo-Jo.
    »Na ja. Glück im Unglück«, sagt das Känguru. »Da hätten wir uns jetzt schön geärgert, wenn ich die Tickets dabeigehabt hätte, wo doch kein Nacheinlass ist. Oder wenn noch Nacheinlass gewesen wäre, wo ich doch die Tickets vergessen habe.«
    Ich schüttle nur den Kopf.
    »Bist du sauer?«, fragt das Känguru.
    »Die Formulierung ›Glück im Unglück‹ ist hier völlig unpassend«, sage ich. »Und außerdem habe ich das ungute Gefühl, dass ich jedes Mal, wenn wir uns verabreden, auf dich warten muss.«
    »Äh … Und ich habe das ungute Gefühl, dass du nie das Bad putzt«, erwidert das Känguru.
    »Ach? Und wann hast du das letzte Mal eingekauft?«, frage ich.
    »Und du kaufst immer nur fettarme Milch«, ruft das Känguru. »Als ob schon jemals irgendjemand von Vollmilch fett geworden wäre!«
    »Und immer, wenn du etwas Unangenehmes machen sollst, steht es zufälligerweise auf deiner Not-to-do-Liste«, sage ich.
    »Das hat nichts mit Zufall zu tun«, sagt das Känguru. »Und außerdem, als du gesagt hast, dass du dich auf jeden Fall auch im Fitnessstudio anmelden würdest, wenn ich mich anmelde. Da hast du mich angelogen!«
    »Das war keine Lüge!«, sage ich. »Das nennt man Ironie!«
    »Und als ich dir erzählt habe, dass ich eine E-Mail von ’nem Typen bekommen habe, der Geld auf mein Konto überweisen will … Da hast du gesagt, das sei bestimmt voll das supergute Geschäft für mich …«, sagt das Känguru. »Auch eine Lüge!«
    »Ironie!«, rufe ich. »Ironie! Und ganz bestimmt keine Einladung, einem wildfremden Idioten meine Kontodaten zu schicken.«
    »Er hatte geschrieben, dass er da Geld drauf überweist!«, ruft das Känguru.
    »Aber wenn du mal ganz selbstkritisch darüber nachdenkst …«, sage ich.
    »Das steht auf meiner Not-to-do-Liste«, sagt das Känguru.
    »… musst du doch zugeben«, fahre ich fort.
    »Das steht auch auf meiner Not-to-do-Liste.«
    »Dabei fällt mir ein, dass du dich, ohne mich zu fragen, unter meinem Namen und mit meiner Kreditkarte bei World of Warcraft angemeldet hast«, sage ich.
    »Ich selber muss unsichtbar bleiben!«, ruft das Känguru. »Und überhaupt! Da letztens! Da hast du genau gesehen, dass da vor der Eisdiele eine Glastür war, aber du hast mich nicht gewarnt, weil du darüber lachen wolltest, wie ich volle Kanne dagegenhüpfe!«
    »Das ist eine infame Unterstellung!«, rufe ich. »Auch wenn es unfassbar lustig aussah.«
    »Selber infam!«, ruft das Känguru völlig außer sich. »Und außerdem … und außerdem … hast du nicht das Bad geputzt!«
    »Und du kaufst nie ein!«, werde ich lauter. »Und überhaupt, was hat das alles damit zu tun, dass du immer zu spät kommst? Hast du etwa noch das Bad geputzt, bevor du losgegangen bist?«
    »Äh. Nicht direkt. Ich hab World of Warcraft gespielt … Aber natürlich fehlt mir, global betrachtet, diese zusätzliche halbe Stunde, die ich geputzt habe, in meinem Lebensplan, und irgendwo, irgendwann muss das kompensiert werden.«
    »Das ist doch Quatsch! Ich glaube, du wolltest mir
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