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Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest
Autoren: Marc-Uwe Kling
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reiche Herta das Geld.
    »Na ja. Nix für unjut«, sagt Herta, »wa?«
    »I wo«, sagt das Känguru. »I wo.«
    »Es jibt ebn sone und solche, und dann jibt es noch janz andere, aba dit sind die Schlimmsten«, sage ich.
    »Meine Rede«, sagt Herta.
    »Worauf warten wir eigentlich noch?«, fragt das Känguru nach einer Weile.
    »Auf nichts«, sage ich. »Lass uns gehen.«
    Schweigen.
    »Also? Wir gehen?«, fragt das Känguru.
    »Gehen wir!«, sage ich.
    Sie gehen nicht von der Stelle.

Wir sitzen im Innenhof des Hauptsitzes der Ullstein Buchverlage an einem Gartentisch. Vor mir liegt mein Manuskript. Das Känguru versucht einen Strohhalm in ein 0,2-Liter- Fruchtsaft-Tetrapak zu friemeln.
    »In einem Verlag verläuft ja oft eine Kampflinie zwischen Vertrieb und Lektorat«, sagt mein Lektor, »aber in diesem Fall waren sich eigentlich alle einig.«
    Gespannt blicke ich zu ihm hinüber.
    »Wir wollen das Buch nicht ›Hitler Terror Ficken‹ nennen«, sagt er.
    »Ihr wolltet doch einen verkaufsfördernden Titel«, sagt das Känguru und reicht mir genervt den Tertrapak. Ich stecke den Strohhalm rein und reiche ihn zurück.
    »Nun ja«, sagt mein Lektor. »So reißerisch hatten wir uns den reißerischen Titel doch nicht vorgestellt. Außerdem hätte dieser Titel auffällig wenig mit dem Inhalt zu tun. Nichts, könnte man sagen.«
    »Na und?«, fragt das Känguru. »Der Zusammenhang zwischen Bezeichnung und Inhalt ist völlig überbewertet, und große Teile der Gesellschaft haben sich schon längst davon frei gemacht. Wenn ich mir beim Discounter eine Tomatencremesuppe kaufe, hat die auch auffällig wenig mit Tomaten zu tun. Aber Geschmacksverstärkerbrei ist einfach ein Scheißproduktname. Oder nimm dir eine beliebige Partei. Sagen wir die CDU. Hat auffällig wenig mit christlich und demokratisch zu tun, aber würden sie sich wahrheitsgetreuer Club deutscher Unternehmer nennen, würden ihre Wahlergebnisse wohl noch weiter einbrechen. 4 Oder die Bezeichnung ›Rechtsstaat‹ …«
    »Ja, danke«, sage ich. »Ich denke, du hast deinen Punkt klargemacht.«
    Mein Lektor nickt zustimmend.
    »Wie soll das Buch denn nun heißen?«, frage ich.
    »Wie wäre es mit«, mein Lektor macht eine dramatische Pause, Die Känguru-Chroniken!
    Das Känguru blickt auf.
    »Das gefällt mir«, sagt es.
    »Das glaube ich«, sage ich.
    »Reduktion auf das Wesentliche«, sagt das Känguru. »Und auf jeden Fall verkaufsfördernder als Die Kleinkünstler-Chroniken .«
    Es wirft den leeren Tetrapak gekonnt in die einige Meter entfernt stehende große Mülltonne.
    »Nur Känguru wäre auch ein guter Titel«, sagt es. »Oder Känguru! Mit Ausrufezeichen!«
    »Ich habe hier einen ersten Entwurf für einen Klappentext«, sagt mein Lektor und reicht mir eine Mappe. »Wir würden das Buch gerne mit dem Satz ›Frisch, frech und völlig absurd‹ bewerben.«
    »Das ist doch kein Satz!«, ruft das Känguru empört.
    »Nee«, sage ich. »Hat zum Beispiel kein Verb.«
    »Frisch, frech und völlig absurd!«, ruft das Känguru.
    »Ja«, sagt mein Lektor.
    »Damit könnte man auch ’ne Packung Halbfettkäse bewerben«, sagt das Känguru.
    »Was sagst du denn eigentlich zum Buch an sich?«, frage ich.
    »Ich muss gestehen, dass ich den Pinguin nicht gut finde«, sagt mein Lektor.
    »Da können wir ja einen Club aufmachen«, sagt das Känguru.
    »Als Antagonisten aus dem Nichts einen seltsamen Pinguin einzuführen, der in allem das Gegenteil zum Känguru ist, finde ich persönlich zu platt.«
    »Aber …«, versuche ich zu protestieren.
    »Und die Geschichte mit dem Pinguin-Alptraum würde ich eher weglassen«, sagt mein Lektor. »Kann man ja vielleicht mal in einer eventuellen Fortsetzung veröffentlichen.«
    »Warum habe ich das Gefühl, die Formulierung ›mal in einer eventuellen Fortsetzung‹ sei eine höfliche Umschreibung des Wortes ›nie‹?«, fragt das Känguru.
    »Außerdem ›eher weglassen‹«, sage ich. »Was bitte schön soll denn das bedeuten. Eher. Eher ist ja ein eher unpräzises Wort.«
    »In diesem Fall handelte es sich bei ›eher‹ um eine höfliche Umschreibung des Wortes ›unbedingt‹«, erläutert das Känguru.
    »Warum genau ist das Känguru bei diesem Gespräch dabei?«, fragt mein Lektor.
    »Hier sind übrigens die Fotos fürs Cover«, sage ich.
    Der Lektor wirft einen Blick auf die Bilder.
    »Ich habe euch vor drei Monaten 500 Euro überwiesen, damit ihr von einem Profi vernünftige Fotos machen lassen könnt, und ihr bringt mir
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