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Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Titel: Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
Autoren: Terry Pratchett , Jack Cohen , Ian Stewart
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einige Verlegenheit aus. Sie hätten die Denkweise nach System 2 verwenden und die wahrscheinlichen Ursachen für tropfendes Wasser untersuchen oder einfach einen Klempner rufen können, wie das die meisten vernünftigen Leute getan hätten, wenn Wasser an Stellen tropft, wo keins sein sollte. Stattdessen urteilten sie nach System 1 und verfielen auf eine übernatürliche Erklärung. Allerdings ist es kein toller Einfall, Leute überquellendes Abwasser trinken zu lassen, selbst wenn man sich einbildet, es sei eine Wunderkur. Die Entdeckung ersparte der Kirche also eine Menge mögliche Scherereien, auch wenn das Wunder entlarvt worden war.
    Wie also sah die Reaktion aus?
    Die Kirche selbst tat nichts. Doch nach Edamarukus Worten zeigten ihn Mitglieder von zwei katholischen Laienverbänden gemäß Paragraph 295A des indischen Strafgesetzbuches an. Der Paragraph stammt aus dem Jahr 1860 und verbietet es, »vorsätzlich religiöse Gefühle zu verletzen und in bösartiger Absicht zu versuchen, die religiösen Empfindungen einer Klasse oder Gemeinschaft zu provozieren«. Edamaruku zeigte sich bereit, vor Gericht zu erscheinen, wo nach seiner Überzeugung der Fall niedergeschlagen werden würde – doch leider hat das Gesetz einen hässlichen Haken. Jeder, der einer Straftat beschuldigt wird, kann in Haft genommen werden, möglicherweise viele Monate lang, ehe es zu einem Prozess kommt. Während wir diesen Absatz niederschreiben, ist Edamaruku also nach Finnland geflohen, und die Rationalisten-Vereinigung hat eine Online-Petition initiiert, die darauf abzielt, die Anklage fallen zu lassen.
    Christliche Theologen sind seit Langem durch das Paradox des Silentium Dei beunruhigt, des Schweigens Gottes: Wenn Gott existiert, warum spricht Er nicht? Ein allmächtiges, allgegenwärtiges Wesen sollte keine Schwierigkeiten haben, Seine Existenz auf nicht zu leugnende Weise kundzutun. Bei dieser seltsamen Abwesenheit reihen sich weitere Probleme des menschlichen Daseins ein: beispielsweise, warum ein fürsorglicher Gott Krankheiten und Naturkatastrophen zulässt. Wie die Theologie nun einmal ist, hat sie zahllose Antworten darauf vorgelegt.
    Darüber gibt es einen jüdischen Witz. (Über alles gibt es einen jüdischen Witz.) Drei Rabbis erörtern eine theologische Aussage. Zwei behaupten, sie sei zuerst von Rabbi ben Avraham getroffen worden, der dritte behauptet, es sei Rabbi ben Jitzchak gewesen. »Hört mal, ich weiß, dass er es war! Ich habe das für meine Dissertation studiert!« Die beiden sind immer noch anderer Meinung. Schließlich sagt der dritte Rabbi verzweifelt: »Ich weiß es – lasst uns Gott fragen!« Also beten die drei, und plötzlich tut sich der Himmel auf, Gott lehnt sich heraus, blickt herab und sagt: »Er hat recht. Es war Rabbi ben Jitzchak.«
    Nach kurzer Sprachlosigkeit sagt der erste Rabbi: »Schön, jetzt steht es zwei gegen zwei.«
    Wenn man es recht bedenkt, funktioniert der Witz, weil wir wissen, dass es nicht so wäre. Gott könnte das Problem des Unglaubens lösen, indem er seinen Namen in kilometergroßen Buchstaben an den Himmel schriebe. Aber aus unerfindlichen theologischen Gründen lehnt es ein allmächtiges Wesen anscheinend ab, seine Macht auf diese spezielle Art auszuüben. Die einzige Möglichkeit, welche die Theologen nicht bedacht haben – vielleicht schweigt Gott, weil Er nicht existiert. In diesem Punkt sind sich alle religiösen Fraktionen einig: Diese Erklärung lehnen sie ab.
    Würde man also abstimmen, gäbe es eine klare Mehrheitsentscheidung: Gott existiert tatsächlich. Die Atheisten sind entschieden in der Minderheit. Doch selbst wenn man meint, Fragen über das Universum könnten demokratisch entschieden werden, muss man die Frage sinnvoll stellen. Religiöse Menschen solidarisieren sich liebend gern mit allen anderen Religionen der Welt, wenn es um diese schrecklichen Atheisten geht – um Ungläubige. Doch sobald man untersuchen will, was unterschiedliche Religionen oder verschiedene Sekten innerhalb einer bestimmten Religion oder gar verschiedene Gläubige innerhalb derselben Sekte tatsächlich glauben, wird aus dem gemeinsamen Anliegen ein einziges Tohuwabohu. Die anglikanische Kirche beispielsweise ist gegenwärtig in Fraktionen gespalten, was die Frage nach Priesterinnen betrifft, und gefährlich nahe daran, sich in zwei verschiedene Sekten zu teilen. Und sie entstand aus einer Abspaltung von der römisch-katholischen Kirche. Es gibt Tausende von unterschiedlichen
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