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Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Titel: Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
Autoren: Terry Pratchett , Jack Cohen , Ian Stewart
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christlichen Konfessionen, ganz zu schweigen von den anderen Religionen.
    Wir haben nicht vor, uns für eine der beiden Positionen auszusprechen. Wir hätten lieber überhaupt keine Priester, obwohl wir als Realisten nicht damit rechnen, dass dieser Zustand eintritt. Zu denken gibt uns der Umstand, dass Menschen auf beiden Seiten der Debatte – gute, fromme und ergebene Christen – das Innerste ihrer Seele geprüft, zu Gott gebetet und als Antwort eine klare Vision von Gottes Wünschen erhalten haben. Es besteht kein Zweifel, dass sie ebendas aufrichtig glauben. Doch merkwürdigerweise zeigt sich: Gott will, dass Priesterinnen (a) erlaubt und (b) nicht erlaubt sein sollten. Gottes Wünsche stimmen wirklich bemerkenswert gut damit überein, was die betreffenden Leute schon immer dachten, bevor sie ihre Gottheit in dieser Angelegenheit befragten.
    Innerhalb dieser Debatte – wenn man diesen anspruchsvollen Begriff für gerechtfertigt hält – ist allen klar, dass die eine Seite recht und die andere unrecht hat. Die eine hat Gottes Wünsche richtig gedeutet, und die andere ist im Irrtum befangen. Fragt sich nur, welche welche ist. Von außen gesehen beobachten wir einen interessanten experimentellen Test der Wirksamkeit von Gebeten, mehr noch: der Existenz jener Art von Gottheit, an die die anglikanische Kirche glaubt, ja sogar des allgemeinen Konzeptes eines Glaubenssystems. Das Silentium Dei ist nicht das Problem – Gott hat tatsächlich zu beiden Seiten gesprochen, zumindest glauben sie das aufrichtig. Doch Er hat mit gespaltener Zunge gesprochen. Von außen betrachtet darf man annehmen, wenn Er auf eine Weise existiert, die mit dem Credo der anglikanischen Kirche vereinbar ist, dann hätte Er doch wohl sicherlich allen das Gleiche gesagt.
    Diese spezielle Religion versagt also bei einem definitiven experimentellen Test, den ihre Gläubigen unabsichtlich selbst veranstaltet haben. In der Wissenschaft wäre das ein guter Grund, die Hypothese zu verwerfen.
    Weltweit sind die Gläubigen zahlreicher als die Atheisten, selbst wenn wir diejenigen außer Acht lassen, die nominell einer Religion angehören, sie aber nicht praktizieren. Aber untereinander sind die Religionen der Welt praktisch außerstande, sich über die übernatürlichen Züge ihrer Glaubenssysteme zu einigen. Oft scheinen sie in Grundfragen übereinzustimmen, etwa in der Frage, ob es einen Gott gibt – doch welchen? Jede Religion und jede Sekte haben einen Gott, der – wie man uns sagt – ein unterschiedliches Sortiment von Ritualen verlangt, eine unterschiedliche Art des Gottesdienstes, unterschiedliche Gebete. Jede Gruppierung ist in der Minderheit, also kann höchstens eine wahr sein. Doch sie alle appellieren an dieselbe Denkungsart: an den Glauben. Da ihre eigenen Glaubensvorstellungen sich widersprechen, kann Glaube es offensichtlich nicht bringen. Die scheinbare Mehrheit erweist sich also als Schall und Rauch.
    Der Schriftsteller und Comedian Ricky Gervais* [* http://blogs.wsj.com/speakeasy/2010/12/19/a-holiday-message-from-ricky-gervais-why-im-an-atheist/] hat 2010 einen ähnlichen Gedanken prägnanter ausgedrückt:
    Das Wörterbuch definiert Gott als einen »übernatürlichen Schöpfer und Aufseher des Universums«. In diese Definition eingeschlossen sind alle Gottheiten, Göttinnen und übernatürliche Wesen. Seit den Anfängen der geschriebenen Geschichte, also seit der Erfindung der Schrift durch die Sumerer vor etwa sechstausend Jahren, haben die Historiker über 3700 übernatürliche Wesen verzeichnet, von denen 2870 als Gottheiten gelten können. Wenn mir also wieder einmal jemand erzählt, dass er an Gott glaubt, werde ich sagen: »Oh, an welchen denn? Zeus? Hades? Jupiter? Mars? Odin? Thor? Krischna? Wischnu? Ra? …« Wenn er dann sagt: »Einfach nur Gott. Ich glaube an den einzigen Gott«, werde ich darauf hinweisen, dass er beinahe ebenso atheistisch ist wie ich. Ich glaube nicht an 2870 Götter, und er glaubt nicht an 2869.
    Letzten Endes beruhen religiöse Glaubensvorstellungen nicht auf objektivem Beweismaterial, sondern eben auf Glauben. Religionen sind Glaubenssysteme, und viele erklären dies für einen Vorzug: Der Glaube ist ein von Gott veranstalteter Test. Stimmt man nicht mit ihnen überein, ist man durchgefallen. Viele Religionsvertreter – und eine Anzahl von Postmodernisten – haben behauptet, Wissenschaft sei ebenfalls ein Glaubenssystem, im Grunde nur eine alternative Religion. Weit gefehlt. Sie haben den
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