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Das Jahr des Hasen

Titel: Das Jahr des Hasen
Autoren: Arto Paasilinna
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Fahrgast.
    Auf einer Anhöhe sagte dieser: »Hier halten!« Der Chauffeur griff nach der Waffe. Der Betrunkene
    stieg jedoch ruhig aus dem Auto und rief in den Wald: »Vatanen, Vatanen!«
    Der dunkle Wald antwortete nicht einmal mit einem Echo.
    »Vatanen, he, Vatanen!«
    Der Mann zog seine Schuhe aus, krempelte die Ho­ senbeine bis zu den Knien hoch und ging barfuß in den Wald hinein. Bald war er in der Dunkelheit verschwun­ den. Immer wieder rief er nach Vatanen.
    Komischer Vogel, dachte der Chauffeur. Nachdem der Fahrgast eine halbe Stunde im finsteren
    Wald herumgelärmt hatte, kehrte er zur Straße zurück. Er bat um einen Lappen und wischte sich den Schlamm von den Füßen, dann zog er die Schuhe auf die bloßen Füße, die Strümpfe steckten in seiner Jackentasche. Sie fuhren nach Heinola zurück.
    »Vermissen Sie jemanden, der Vatanen heißt?« »Ja. Ich habe ihn abends dort bei dem Hügel zurück­
    gelassen. Da ist er aber nicht mehr.« »Nein. Ich habe ihn auch nicht gesehen«, sagte der
    Chauffeur teilnahmsvoll.
    Als der Fotograf am nächsten Tag gegen elf im Hotel erwachte, hatte er einen schlimmen Kater, sein Kopf dröhnte, ihm war übel. Da kam ihm in den Sinn, daß der Redakteur verschwunden war. Er mußte dringend Vatanens Frau auf der Arbeit anrufen.
    Er erzählte ihr: »Er lief in den Wald, um einen Hasen zu suchen, und ist nicht wieder rausgekommen. Ich hab nach ihm gerufen, aber er hat nicht geantwortet. Schließlich hab ich ihn zurückgelassen. Er wollte wohl selber dort bleiben.«
    Die Frau fragte: »War er blau?«
    »Nein.«
    »Wo ist er denn, er kann doch nicht einfach so ver­ schwinden.«
    »Anscheinend doch. Zu Hause ist er nicht?« »Nein, zum Teufel, der macht mich noch wahnsinnig!
    Soll er doch selber zusehn. Hauptsache, er kommt nach Hause, sag ihm das.«
    »Wie soll ich ihm etwas sagen, wenn ich nicht weiß, wo er ist?«
    »Dann treib ihn auf, und er soll mich sofort im Dienst anrufen. Und sag ihm, es wäre das letzte Mal, daß er solche Zicken macht. Da kommt Kundschaft, er soll mich anrufen, mach’s gut.«
    Der Fotograf rief in der Redaktion an. »Da ist noch etwas, Vatanen ist verschwunden.« »Wo ist er denn hin?« fragte der Chefredakteur. Der
    Fotograf erzählte ihm die Geschichte. »Er wird schon wieder auftauchen. Eure Story ist
    nicht so wichtig, die kann man verschieben, wir bringen sie, wenn Vatanen zurück ist.«
    Der Fotograf deutete an, daß Vatanen etwas zugesto­ ßen sein könne.
    Die Kollegen in Helsinki beruhigten ihn. »Komm schon. Was sollte ihm passiert sein? Außerdem wäre das sein Problem.«
    »Ob ich es der Polizei melde?«
    »Das kann seine Frau machen, wenn sie will. Weiß sie schon Bescheid?«
    »Ja, aber es ist ihr ziemlich egal.«
    »Uns geht die Sache eigentlich auch nichts an.«
    2. KAPITEL
    Bilanz
    Früh am Morgen wurde Vatanen in einer Scheune von Vogelgezwitscher geweckt. Es duftete angenehm nach Heu. Der Hase lag in seinem Arm, er schien die Schwal­ ben zu beobachten, die unter den Dachbalken ver­ schwanden; sie bauten wohl ihr Nest oder flogen des­ halb so eifrig aus und ein, weil sie schon Junge hatten.
    Die Sonne schien durch die Ritzen, das Heu vom Vorjahr war schön warm. Vatanen lag etwa eine Stunde gedankenverloren da, dann raffte er sich endlich auf und ging mit dem Hasen auf dem Arm nach draußen.
    Hinter einer blühenden Wiese plätscherte ein kleiner Bach. Vatanen setzte den Hasen am Ufer ab, zog sich aus und badete in dem kalten Wasser. Kleine Fische schwammen in dichtem Schwarm stromaufwärts, sie erschraken bei jeder seiner Bewegungen, hatten aber die Angst sogleich wieder vergessen.
    Vatanen mußte an seine Frau in Helsinki denken. Er wurde mißmutig.
    Vatanen mochte seine Frau nicht. Sie war in gewisser Weise boshaft, oder besser gesagt: egoistisch, die ganze Ehe hindurch. Sie hatte die Gewohnheit, sich häßliche Kleidung zu kaufen, häßlich und unpraktisch, und sie trug sie immer nur kurze Zeit, denn sie gefielen ihr auf
    die Dauer auch nicht. Vatanen hätte sie sicher auch ausgetauscht, wenn das so einfach gewesen wäre, wie die Garderobe zu wechseln.
    Zu Beginn ihrer Ehe hatte sie zielstrebig das gemein­ same Heim, das Nest, eingerichtet. Ihre Wohnung war eine seltsame Mischung aus allerlei Einrichtungstips von Frauenzeitschriften geworden, oberflächlich und geschmacklos; große Poster und unbequeme Sessel beherrschten die Räume, man konnte sich kaum darin aufhalten, ohne sich irgendwo zu stoßen. Die verschie­ denen
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