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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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ruckartig vorgebeugt und so meine Erregung vor aller Welt offengelegt, doch ich lehnte mich ebenfalls zurück, ein wenig steif, alles andere als entspannt.
    »Nun, also ich habe ohnehin nichts gegen dich.« Manuel war sich der Wirkung seines angenehmen Tonfalls wohl bewusst. Wir hingen tatsächlich gebannt an seinen Lippen. »Und was Berti betrifft: Entwarnung. Der Silberrücken ist von uns gegangen. Kein großer Verlust, erlaube ich mir zu sagen. Mal abgesehen davon, dass ich mit ihm nicht ins Geschäft kam, weil ihm, dem Dummkopf, Kokain suspekt war, befand er sich längst auf dem Weg nach unten. Er besaß eine Lagerhalle in Rothenburgsort. Dort wurden schon seit ewigen Jahren irgendwelche Sachen zwischengelagert, mit denen er nebenbei Geld verdiente – geklaute Ware und so, alles Kleinkram. Er hielt sich gern dort auf. Das mit Glasscheiben von der Halle abgetrennte Büro mit der steinalten Couch-Garnitur mochte er lieber als das eigentliche Büro, in dem du ja mal warst. Nostalgie, vermute ich. Aber egal. Kurz nachdem du abgehauen warst, trafen wir uns dort, Berti, Atze, Sven, der schmierige Willi und ich. Bertis Leibwächter war auch dabei, aber, wie so oft, auf dem Scheißhaus. Ich hatte eigentlich keinen wirklichen Grund, mich in dieser Scheißgegend rumzutreiben und war nur mitgekommen, weil Atze mir eine leerstehende Fabrikhalle zeigen wollte, die günstig zu haben sei. Ich suchte ja so was, wenn auch nicht dringend. Zu meiner Überraschung erwies sich der Straßenköter Atze als Jazz-Fan. Ohne Berti um Erlaubnis zu fragen, schob er eine Kassette mit Stücken von der LP
Jazz Samba
in den Rekorder, ihr wisst schon – oder? –, Stan Getz am Tenorsaxophon, Charlie Byrd an der Gitarre, phantastische Mischung aus Latin Jazz und Cool Jazz.
    Ist das Jazz?
, fragte Berti angewidert und sichtlich verunsichert wegen Atzes Dreistigkeit und Svens starrem Blick.
    Du bist fertig, Berti
, sagte Atze lakonisch, als
Desafinado
den Raum mit Wehmut füllte. Sehr schönes Stück. Dann wurde die Situation nach meinem Geschmack ein wenig zu heiß. Aber dennoch passte das Saxophon perfekt zur Szene. Selbst als Atze den Lauf seiner 38er Smith & Wesson in Bertis Mund schob, empfand ich die Musik keineswegs als störend, sondern als raffinierten Begleitsound der Inszenierung. Allerdings hätte ein Schuss die Stimmung erheblich gestört. Zu meiner Erleichterung stülpte der schmierige Willi eine Plastiktüte über Bertis Kopf und erstickte seinen Chef bewundernswert professionell. Es fielen dann leider doch zwei Schüsse. Der Leibwächter kam vom Klo, stiefelte durch die Halle, war noch damit beschäftigt, den Hosenstall zu schließen, Atze kam ihm entgegen und schoss ihm wortlos zuerst in die Brust, dann in den Kopf. Ich fand’s, ehrlich gesagt, unappetitlich. Jetzt war also Atze der Boss. Na ja, schön und gut, neues Spiel, neue Karten; der Scheißer hatte das Ding ganz bewusst vor meinen Augen abgezogen – um mich zu beeindrucken, um mich mit ihm zu verketten, vielleicht, um meine Reaktion zu sehen. Jedenfalls ahnte ich, dass er sich mir als Geschäftspartner anbieten würde, denn meine Referate zum Thema
Dem Kokain-Handel gehört die Zukunft
hatten ihn scharfgemacht wie einen Bluthund, der eine Fährte erschnüffelt hat. Er fiel auch gleich mit der Tür ins Haus, faselte was von
gigantischen Investitionen
, wollte mit mir in den nächsten Tagen alles unter Dach und Fach bringen und so weiter. Ich ließ mich zum Schein darauf ein, wohl bedenkend, dass ich unbewaffnet war und drei mit ihren Kanonen spielenden Idioten gegenübersaß, die zu blöd waren, um zu begreifen, dass Mord im Allgemeinen Turbulenzen verursacht. Wir waren ja schließlich nicht im Kino.«
    Bei uns, den Zuhörern, Zuschauern – Manuel gestikulierte auch fein und geschmeidig – kam nicht die geringste Ermüdung auf. Ganz im Gegenteil, oh ja, ich gebe es zu, wir waren angetan, sogar berauscht von seiner angenehmen Stimme und fanden Gefallen an dem grundsätzlich amoralischen Tenor der Geschichte, weil die Botschaft nun mal eine ungemein positive war, speziell für mich.
    Er fuhr gelassen fort: »Selbstverständlich verachtete ich diese Köter. Wer mich mit Absicht in eine solche Situation bringt, ist für mich erledigt. Ich opferte 250 Gramm Kokain, das ich Atze, Sven und Willi zum Testen gab, dann gab ich den Bullen einen Tip. Jetzt sitzen die Jungs, schwer angeschlagen, im UG am Holstenglacis. Sie werden, da Kokain irrtümlich als harte Droge gilt, mit
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