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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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drei, vier Jahren rechnen müssen.«
    Unser Lächeln war echt, aber keinesfalls locker, da wir völlig im Dunkeln tappten und uns fragten, warum dieser Typ alles haarklein vor uns ausgebreitet hatte und was er von uns wollte.
    »Sieht so aus, als hätte ich ein Problem weniger«, sagte ich zögernd. Manuel nippte am Cognac, zog am Zigarillo, sah mich lächelnd und mit verschleierten Augen an. »Warum hast du Berti gelinkt? Der Alte mochte dich. Er hatte vor, dich voll zu integrieren. Auf einmal stand er da wie ein Trottel mit runtergelassener Hose. Auf so was hatten einige Leute nur gewartet. Zum Beispiel Atze. Indirekt hast du eine Mitschuld an Bertis Tod – könnte man sagen. Aber ich verstehe natürlich, dass 100 000 Dollar eine große Versuchung darstellten.«
    Schon fühlte ich mich wieder beschissen mies. »Aber ich dachte, Berti hätte irgendeinen Scheiß mit mir vorgehabt, verstehst du?, wegen der falschen Dollars, die mir Atze gegeben hatte. Ich nahm an, dass die 100 000 auch falsch wären, dass ich den Kopf hätte hinhalten sollen, falls der Empfänger die Scheine als Blüten erkannt hätte. Als ich merkte, dass ich’s mit echtem Geld zu tun hatte, war es zu spät, um den Termin einhalten zu können, und Berti wollte ich nicht als Versager unter die Augen treten. Na gut, dachte ich, dann hat es wohl so und nicht anders sein sollen.«
    Der Kolumbianer lachte leise, sah sich kurz um, schraubte den Deckel von einem zierlichen silbernen Röhrchen, kippte ein Häuflein Koks auf einen in Silber gefassten kleinen Spiegel, zerdrückte die Kokain-Kristalle mit dem Boden seines Feuerzeugs, formte geübt eine weiße Linie, rollte einen Geldschein zu einem Röhrchen, bückte sich flink darüber und zog sich den Stoff in die Nase. Er schniefte kurz, nickte befriedigt, verstaute die Sachen wieder, sah jetzt seltsam aufgemuntert aus. »Ja, ja«, sagte er, »wie das Schicksal so seine Spielchen mit uns treibt. Atze wusste ja gar nicht, dass die Scheine, die er dem dämlichen Rocker aus dem Kreuz geleiert hatte, Blüten waren. Weiß der Teufel, wie dieser an die Blüten gekommen war – jedenfalls fiel Atze schwer auf die Fresse, als er die Scheine auf der Bank umtauschen wollte.« Er stutzte. »Ach so, fast vergessen, nicht eben das, was man gutes Benehmen nennt. Entschuldigung. Ihr seid natürlich eingeladen, was von dem weißen Pulver in eure Nasen zu ziehen. Aber nicht hier. Besser auf der Toilette. Die Klodeckel sind dafür wie geschaffen.«
    Ruckartig fuhr ich hoch und nahm eine kerzengerade Haltung ein. In meinem Kopf herrschte abermals das nackte Chaos. Während Bülent und Doris beschwingt zur Toilette schwebten, kollidierten in mir unzählige Emotionen und Gedanken. Berti hatte an mich geglaubt. Kaum zu fassen. Der sonst so misstrauische Gangster hatte bei mir ein gutes Gefühl gehabt. Und Atze? War also wirklich in Gelis Wohnung eingedrungen, hatte die Rocker verprügelt und statt meiner Beute, die wohl schon längst verbraten worden war, immerhin 4 000 Dollar abgreifen können. Dann hatte er Geli tatsächlich vergewaltigt? Im Beisein der Rocker? Er müsste die Typen zuvor gefesselt haben, damit sie ihn nicht stören konnten. Welch ein Aufwand. Ich stellte mir vor, wie er, sexuell erregt, mit steifem Schwanz, vielleicht schon nackt, mit der Pistole in der Hand nach Material zum Fesseln sucht … Verdammte Scheiße, was sollten denn jetzt diese unsinnigen Überlegungen? Ich blickte auf und sah, dass Manuel mich beobachtete. Er lächelte mich an. Kein Hinweis auf teuflische Motive. Wohlwollen lag auf dem glatten Gesicht, doch ich war nicht sicher, ob ich es mir nur einbildete, weil ich womöglich so was in der Art, gelenkt von meinem Hunger nach Erlösung, hatte sehen wollen. Der Ausdruck des Wohlwollens blieb, in Manuels Augen funkelte außer Kokain in der Tat so was wie Sympathie. Er beugte sich langsam vor, zweifellos wohlmeinend, seine gepflegte, schmale Hand tätschelte meinen Unterarm. »Du überlegst jetzt, was dieser Kolumbianer mit dir vorhaben könnte – stimmt’s? Aber sei unbesorgt. Ich bin ein Mann mit Bildung und Prinzipien. Emotionen sind mir nicht fremd, auch wenn sie in den Geschäftszeiten gut verschlossen bleiben. In Situationen wie diesen werde ich von Rührung überwältigt. Es macht mich glücklich, eure Erleichterung zu sehen. Nein, mein Lieber, hier bin ich außerhalb der Geschäftszeit. Das Alsterpavillon betrete ich niemals aus geschäftlichen Gründen. Als ich vorhin reinkam, traute
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