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Das Jahr auf dem Lande

Das Jahr auf dem Lande

Titel: Das Jahr auf dem Lande
Autoren: Mary Scott
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normalerweise, denn er liebte es, in die Küche zu schlendern, das Wasser aufzusetzen und zu bemerken, daß es auch praktisch veranlagte Schriftsteller gäbe. Aber heute winkte er ungeduldig ab und sagte: »Ich wünschte, du würdest mir zuhören, statt ständig an Essen und Trinken zu denken.«
    Das war ungerecht, denn Christine war so schlank, daß sie niemals Gewichtsprobleme hatte. Aber sie sagte gelassen: »Also gut, ich höre. Was willst du mir vorschlagen?«
    Er begann zu sprechen, schnell, aufgeregt, denn diese Idee beschäftigte ihn, seit er von Onkel Josephs erstaunlichem Testament gehört hatte. Und diese herablassende Kritik hatte den letzten Anstoß gegeben. Nun würde er die Initiative ergreifen.
    »Christine, hättest du keine Lust, für ein Jahr ins Hinterland zu ziehen, weit weg von dieser lauten, verwirrenden Welt? Könntest du es ertragen, dieses Haus zu verkaufen oder zu vermieten und mit mir in einer einfachen kleinen Hütte auf dem Land zu leben?«
    Als sie sich ihren einsneunzig großen Mann in einer kleinen Hütte vorstellte, mußte Christine beinahe lachen. »Wovon wollen wir leben?« fragte sie. »Und was wird aus den Kindern?«
    »Mit Onkel Josephs Geld können wir uns eine kleine Farm kaufen, trotz der überhöhten Preise heutzutage. Und wir könnten so weiterleben wie bisher — von meinen Büchern, von den Zinsen des Kapitals, das mir mein Vater hinterlassen hat. Wie hoch ist unser Einkommen jetzt? Ich weiß nur, daß ich dieser Diebsregierung lächerlich hohe Steuern zahlen muß.« Es spielte für Adrian keine Rolle, welche Regierung gerade am Ruder war, für ihn waren alle Politiker Diebsgesindel.
    Sie dachte einen Augenblick lang nach, und dann nannte sie eine Summe, die nicht hoch, aber ausreichend war, sogar in diesem Zeitalter der überhöhten Preise. »Aber wir können nicht damit rechnen, daß du weiterhin Geld mit deinen Büchern verdienst. Und dann haben wir nur noch Brot mit Butter ohne Marmelade drauf.« Das würde vielleicht helfen, dachte sie hoffnungsvoll. Er konnte Butterbrote nicht ausstehen.
    Aber er sah sie gekränkt an: »Warum sollten meine Bücher denn nicht mehr gehen? Vielleicht werde ich in dieser Idylle endlich das Buch schreiben können, von dem ich träume.« Wie jeder andere Verfasser von leichter Unterhaltungslektüre stellte er sich vor, daß er eines Tages ein großes, realistisches Werk schreiben würde.
    Ausnahmsweise erlaubte es sich Christine, einen gewissen Ärger zu zeigen. »Du hast immer gesagt, daß du Inspiration brauchst, daß du mit interessanten Leuten zusammenkommen mußt. Aber die wirst du da draußen im Hinterland nicht finden. Dafür haben die diversen Regierungen gesorgt.«
    Daraufhin folgte eine weitere Schmährede auf die Regierung, die mit den triumphierenden Worten schloß: »Aber ich sage dir, ich werde ihn finden.« Christine erkannte mit Entsetzen, daß er immer noch von dem einsamen mythischen Ort sprach, wo er seine Seele wiederfinden wollte. Doch dann erinnerte sie sich erleichtert, daß er schon oft alle möglichen Pläne geschmiedet hatte. Wie oft hatte er schon das Haus verkaufen und ein kleineres in einem billigeren Viertel erwerben wollen (jedesmal, wenn die Grundsteuer fällig war). Oder er wollte Robert überreden, seinen Job aufzugeben, in dem er so erfolgreich war, und eine Stellung hier in der Nähe anzunehmen (jedesmal, wenn der Rasenmäher streikte). Oder er wollte dem zuständigen Abgeordneten einen Protestbrief schreiben, weil in der Parallelstraße ein Baum gefällt werden sollte. Oder er beschloß, endlich darauf zu bestehen, daß Josephine ihre Karriere in Angriff nahm, statt mit dieser lärmenden Meute von Jugendlichen herumzuziehen (nach jeder Party, die Jo in seinem Haus gab). Er hatte schon viele Entschlüsse gefaßt, und nie war etwas dabei herausgekommen. So würde es auch diesmal sein.
    Das sagte sie auch zu Jo, als das Mädchen von einer aufregenden und leicht ermüdenden Wochenendparty im Haus einer Freundin zurückkam. Jo, groß und schlank, in ihren besten Augenblicken bildschön und in ihren schlimmsten immer noch hübsch, runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich glaube, daß er es diesmal ernst meint. Onkel Josephs Erbe liegt ihm schon seit einiger Zeit schwer im Magen. Er hat sich doch immer über den Verkehrslärm und über den Fernsehapparat beschwert, der im Nachbarhaus bis zwei Uhr nachts läuft. Adrian will dem allen für eine Weile entfliehen. Er sehnt sich nach Ruhe und Frieden. Oder er bildet
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