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Das ist nicht wahr, oder?

Das ist nicht wahr, oder?

Titel: Das ist nicht wahr, oder?
Autoren: Jenny Lawson
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Kinder abgegeben. Das ist vermutlich ein Zeichen für Erwachsensein. Meine Güte, stell dir vor, was aus uns geworden wäre, wenn Mom uns an
ihren
Geburtstagen nicht alle möglichen guten Dinge gewünscht hätte. Wir wären wahrscheinlich schon tot.«
    »Wahrscheinlich«, stimmte ich zu. »Obwohl, jetzt wo ich daran denke, vielleicht hat Mom uns genau so ein Leben gewünscht, wie wir es hatten. Ein bescheidener Wunsch, aber deshalb sind wir jetzt hier, und ich wüsste keinen anderen Ort, an dem ich lieber wäre. Höchstens genau denselben Ort
mit
Klimaanlage.«
    Lisa nickte. »Ich würde dir darauf ja die Ghettofaust geben, aber es ist zu heiß. Was wünschst du Hailey denn, wenn du deine Geburtstagskerzen ausbläst?«
    »Das kann ich dir nicht sagen, sonst geht es ja nicht mehr in Erfüllung. Aber vermutlich dasselbe, was alle Eltern ihren Kindern wünschen. Ich wünsche ihr, dass sie Liebe erfährtund auch genügend Liebeskummer, um zu wissen, was sie an der Liebe hat. Ich wünsche ihr ein genauso gesegnetes Leben wie meines. Mit einem sprechenden Eichhörnchen als Handpuppe und mit Armen, die in der Vagina einer Kuh feststecken. Und dass sie erfährt, wie stolz es macht, sich von einem Hund anfallen zu lassen, um jemand anders zu retten. Also in etwa das würde ich mir für Hailey wünschen.«
    Lisa betrachtete mich zweifelnd. »Hm, man wünscht seinem Kind wohl kaum, dass es von einem Hund angefallen wird oder in einer Kuhvagina stecken bleibt.«
    »Das war nur bildlich gesprochen«, erklärte ich.
    Lisa nickte, schloss die Augen und legte den Kopf an die Lehne ihres Gartenstuhls. »Dann ist es ja gut«, sagte sie schläfrig und streckte die Beine in die Sonne. »Denn im wirklichen Leben geht einem so was ewig nach. Solche Erinnerungen bleiben einem.«
    Ich sah sie an, lehnte mich ebenfalls zurück, ließ mich von der Sonne bescheinen und hing ihren Worten nach. Dann lächelte ich still in mich hinein, schloss die Augen und dachte: »Das will ich aber hoffen.«

EPILOG
    Fünfzehn Jahre Ehe und eine Tochter später passen Victor und ich immer noch genauso schlecht zusammen wie eh und je. Wir streiten uns und versöhnen uns und drohen einander gelegentlich mit einer im Briefkasten versteckten Kobra. Und das ist gut so. Weil ich nach fünfzehn Jahren weiß, wenn ich Victor aus der Notaufnahme anrufe, um ihm zu sagen, ich sei während eines Besuchs bei meinen Eltern von Hunden angefallen worden, atmet er tief durch und ruft sich in Erinnerung, dass in unserem Leben solche Dinge eben passieren.
    Ich staune immer wieder über den Mann, der aus Victor geworden ist. Er bleibt vollkommen gelassen, wenn mein Vater ihn bittet, am Straßenrand zu halten, damit er ein totes Stinktier auflesen kann, weil er »vielleicht jemanden kennt, der dafür Verwendung hat«. Und Hailey wechselt mühelos zwischen der Welt des Ballettunterrichts und der Schwarzbrennerei, bei deren Aufbau sie ihrem Großvater hilft.
    Ich merke schon, wie wir uns verändert haben. Dass für uns »normal« ist, was für niemanden sonst normal wäre, aber wir kommen gut damit zurecht. Mit unserem neuen »normal«. Wir gewöhnen uns langsam daran, dass wir anders funktionieren als andere und Erfolge anders messen.
    Vor allem aber staune ich über mich … oder genauer über die Person, die ich geworden bin. Denn ich verstehe jetzt endlich, dass die vielen schrecklichen Dinge in meinem Leben, die Peinlichkeiten, die ich am liebsten ungeschehen machen würde, und die Dinge, die mich so »anders« und »sonderbar« machen, in Wirklichkeit die wichtigsten Dinge in meinem Lebenwaren. Sie haben mich erst zu dem gemacht, was ich heute bin. Und genau deshalb habe ich dieses Buch geschrieben … um zu feiern, was in unserem Leben fremd und bizarr ist, und dafür zu danken, und damit meine Tochter eines Tages erkennt, dass ihre Mutter vermutlich aus demselben Grund fast nackt in Fox News aufgetreten ist (kommt erst im zweiten Band, sorry), aus dem ihr Großvater gelegentlich seinen Lieblingsesel in Bars mitnimmt: weil wir nicht durch die unvollkommenen Momente des Lebens definiert werden, sondern dadurch, wie wir mit ihnen umgehen. Und weil es so viel Freude bringt, sich der schieren Absurdität des Lebens zu stellen, statt schreiend vor ihr davonzulaufen. Und weil man einen Esel nicht unbeaufsichtigt im Auto lassen darf, nicht einmal, wenn man in Texas lebt.
    Und wenn ich einem anderen Paar begegne, das normal und konventionell ist und sich beim Spazierengehen nicht
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