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Das ist nicht wahr, oder?

Das ist nicht wahr, oder?

Titel: Das ist nicht wahr, oder?
Autoren: Jenny Lawson
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überwinden könnte, sie aus einem brennenden Haus zu holen oder vor einem geifernden Hund zu retten. Jetzt weiß ich, dass ich das kann. Ich hatte schreckliche Angst, aber es ist irgendwie beruhigend zu wissen, dass ich es notfalls kann.«
    »Hm«, meinte Lisa. »Für einen Hundebiss ist das eine ziemlich tiefgehende Erkenntnis.«
    »Und ich habe gelernt, dass es eklig ist, wenn man sein eigenes Fett sieht, und eine gute Motivation, auf die dritte Hähnchenkeule zu verzichten«, fügte ich hinzu. »Ach ja, und ich weiß jetzt, wenn ein scharfer Arzt reinkommt und sagt, er wolle ›deine Löcher ausspülen‹, darfst du nicht lachen, denn das gibt es offenbar wirklich und ist keine sexuelle Anspielung. Ach ja! Bei dieser Gelegenheit haben sie noch einen Zahn in meinem Rücken gefunden.«
    »Von deiner Zwillingsschwester, von der bisher niemand wusste«, sagte Lisa mit verschwörerisch gesenkter Stimme.
    »GENAU!«, rief ich. »Nur leider überhaupt nicht. Der Zahn kam von dem Hund, weil der schon so alt war. Aber ich habe dem Arzt tatsächlich gleich gesagt, er würde vielleicht von einem Zwilling kommen, den ich vor der Geburt zu mir genommen hätte, und ich habe ihn gebeten, meinen Rücken nach menschlichen Haaren oder einem Schädel abzutasten, wenn ich schon einmal nichts spürte, aber er tat, als wäre ich verrückt. Wahrscheinlich weil ich über seine sexuelle Anspielung gelacht habe.«
    Lisa nickte. »Ja, das mögen Ärzte nicht.«
    »Das Gute an dem Hundebiss ist wahrscheinlich die Erkenntnis, dass ich nicht ganz so egoistisch bin, wie ich vermutethabe. Bis dahin war das Selbstloseste, was ich getan habe, alle meine Wünsche Hailey zu überlassen. Immer wenn ich eine Sternschnuppe sehe oder Geburtstagskerzen ausblase, wünsche ich mir etwas für sie, was mir aber trotzdem noch irgendwie egoistisch vorkommt. Denn wenn ich weiß, dass es ihr gut geht, geht es ja auch mir gut, es fühlt sich deshalb wie Betrug an, so, wie wenn man sich statt etwas Bestimmtem ›mehr Wünsche‹ wünscht. Außerdem ist es ja kein großes Opfer, weil ich mir vor Haileys Geburt immer nur gewünscht habe, ein Einhorn zu sehen.« Ich hatte ein wenig gezögert, ob ich Lisa das überhaupt erzählen sollte, weil ich wusste, dass ein Wunsch, von dem man einem anderen erzählt, nicht mehr in Erfüllung geht, aber die Chance, dass ich je ein Einhorn sehe, ist sowieso gering. Zumal Einhörner der Überlieferung zufolge nur Jungfrauen erscheinen. Ich stelle mir vor, wenn ich je einem Einhorn begegne, ist es ganz senil und schmuddelig, absichtlich ungepflegt und ungeduscht, und will nur mit den anderen Einhörnern vögeln, denen das furchtbar peinlich ist. Es würde wahrscheinlich Harold heißen und Raucher sein. Mein Opfer war also nicht allzu groß. Aber von wilden Hunden angefallen zu werden und mein Kind zu beschützen? Das war wie ein Nicken des Universums, eine versteckte Anerkennung, ja, du
bist
eine gute Mutter. Ich als Empfängerin war darüber wahrscheinlich genauso überrascht wie das Universum als Geber und ich saß da in dem Zimmer im Krankenhaus und dachte, wenn ich jetzt eine Art Dankesrede halten müsste, wäre ich ganz durcheinander und verlegen und würde wahrscheinlich total in Tränen ausbrechen und das nicht nur, weil ich mit Wunden übersät war, die gerade genäht wurden. Ich würde meiner Mutter dafür danken, dass sie mich gelehrt hatte, andere an erste Stelle zu setzen, und meinem Vater dafür, dass er mich unabsichtlich gelehrt hat, nicht in Panik zu geraten, wenn ich von einem großen, mir unbekannten Tier angefallen wurde.Victor würde ich dafür danken, dass er nicht überrascht war, dass ich mich für unsere Tochter geopfert hatte, und Hailey dafür, dass sie blind darauf vertraut hatte, in meinen Armen sicher zu sein. Und dann würde ich noch dem schmuddeligen Einhorn in der letzten Reihe zunicken und das Einhorn würde das Nicken erwidern, so wahnsinnig beeindruckt wäre es von mir.
    »Das ging mir im Krankenhaus so durch den Kopf. Und auch, dass ich unbedingt wissen musste, was für Medikamente ich bekommen hatte, denn ich mag Medikamente, von denen man Halluzinationen von stolzen, ein wenig chaotischen Einhörnern bekommt, die zusehen, wie du dich dafür bedankst, dass du von Hunden angefallen worden bist.«
    »Wow«, sagte meine Schwester, und da merkte ich erst, dass ich das Letzte laut gesagt hatte. »Das ist ja alles ganz schön … verwickelt. Ich habe meine Geburtstagswünsche übrigens auch an meine
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