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Das Inselcamp

Das Inselcamp

Titel: Das Inselcamp
Autoren: Martina Steinkuehler
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der Art müsste es sein …«
    Auf einmal stand Britt abrupt auf und trat mitten zwischen sie. »So doof werden wir sein!«, höhnte sie. »Genau das will er doch!« Sie warf ihren Pony nach hinten. »Er hält uns sowieso für Knallfrösche. Wenn wir nun hingehen und ihm seinen Heiligen Abend kaputt machen, dann ist damit bewiesen, dass er recht hat.«
    Matti und Jakob wechselten ratlose Blicke. Sie konnten nicht folgen. »Warum gehen wir nicht hin und beweisen das Gegenteil?«, fragte Judith in das Schweigen. »Überschätzt du uns da nicht?«, meinte Tamara.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
    Süßer die Glocken
    Die Weihbacher Kirche barg unter ihrem unscheinbaren Äußeren eine reiche barocke Pracht. Gold und Silber blendeten das Auge, Figuren und Gemälde zerstreuten die Konzentration. Das alles waren die Weihbacher von klein auf gewöhnt. Was sie aber an Heiligabend in ihrer vertrauten Kirche erwartete, das ließ sie schaudern wie Gruselfratzen an Halloween.
    An der Empore und am Altar hingen elektrische Lichterkettenund blinkten in schrillen Farben. Die große Tanne, die traditionell im Altarraum stand, war mit rosa und hellblauen Wattebäuschen geschmückt. Statt Lametta hingen golden verpackte Schokoladentaler an den Ästen und oben an der Spitze baumelte ein Plüschosterhase.
    Neben dem Weihnachtsbaum stand ein überlebensgroßer aufblasbarer Weihnachtsmann. Er trug einen knallroten Mantel mit weißem Saum und eine dazu passende Mütze.
    Die Gemeinde nahm zögernd Platz. Die Leute flüsterten miteinander, schüttelten die Köpfe und bedauerten, gekommen zu sein. »Wir waren ja gewarnt«, meinte Pitts Vater zu Judiths Mutter. »Bei mir brennt keine Gans an«, erwiderte sie. Sie beugte sich vor und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich kann gar nicht kochen.«
    Pitts Vater grinste und sah sich nervös nach seinen Jungen um. Er hatte sie zwar nicht gefragt, aber irgendwie hatte er den Eindruck gewonnen, sie würden kommen. Es befremdete ihn, dass nichts von ihnen zu sehen war, weder von ihnen noch von dem Rest der zwölf.
    »Ich hatte mehr von den Kindern erwartet«, sagte er zu Judiths Mutter. Sie lächelte geheimnisvoll. »Ich auch«, entgegnete sie. »Und ich hoffe: zu Recht.«
    Dann setzte die Musik ein – keine Orgel, kein »Ihr Kinderlein, kommet«. Die Musik kam vom Band, und es war einer jener schleimigen Schlager, die in der Weihnachtszeit in allen Kaufhäusern zu hören waren. »… wish you a merry Christmas …« Ansonsten passierte eine Zeit lang gar nichts.
    »Ich höre mir das nicht an!«, rief schließlich Simones Mutter. Sie sprang auf – sie saß weit vorn – und sah sich um. »Wieso?«, fragte eine Stimme aus dem Dunkel hinter dem Altar zurück. »Bei Kaufwelt hörst du es täglich!« Auf dem Band brandete Applaus auf und künstliche Stimmen lachten. Simones Mutter wurde so rot wie ihr Haar und setzte sich wieder hin.
    »Was soll denn das hier werden?«, rief einer der Väter vom Berg. »Veralbern können wir uns selbst!« »Wir bringen euch frohe Kunde«, sagte die Stimme hinter dem Altar. »Friede, Freude,Eierkuchen!« Wieder brandete Applaus auf und künstliche Stimmen lachten.
    »Ist denn hier niemand zuständig?«, fragte Johannas Mutter schrill. »Bei Preis + Heiß ist auch niemand zuständig«, ertönte die körperlose Antwort. »Du bist damit zufrieden, mit einem Pulli und einer Kühl-Gefrier-Kombination nach Hause zu kommen, obwohl du losgegangen bist, um einen Mantel zu kaufen.« Applaus, Gelächter – und dann öffnete sich die Kirchentür.
    Diakon Jott zog in die Kirche ein. Er trug ein grobes Gewand, offenes Haar, und seine nackten Füße steckten in Sandalen. Außerdem hatte er einen langen, oben gebogenen Stab und einen Kartoffelsack bei sich – und seine Schafe folgten ihm. Die künstliche Beschallung erstarb mit einem Klick.
    »Was ist denn hier los?«, fragte der Diakon und blieb im Mittelgang stehen. Er musterte die bunten Birnen, den Baum mit den Wattebäuschen und den aufgeblasenen Weihnachtsmann. »Gut, dass Sie kommen!«, rief Johannas Mutter schrill. Judiths Mutter stieß Pitts Vater an. »Dann ist das gar nicht sein Werk«, meinte sie. Pitts Vater runzelte die Stirn. »Und zu spät ist er auch.«
    Johannas Mutter trat dem Diakon entgegen. »Wir wollen, dass alles so ist wie immer«, sagte sie. Alle hörten, dass ihre Stimme zitterte. Es konnte gut sein, dass sie noch in Tränen ausbrechen würde. »Ich hatte etwas Mühe mit meinen Schafen«, entgegnete Diakon Jott
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