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Das Inselcamp

Das Inselcamp

Titel: Das Inselcamp
Autoren: Martina Steinkuehler
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neu sind, aber alt und zerrissen aussehen, so als hättet ihr drei Jahre Wüstenwanderung hinter euch. Ich frag Matti nicht, was das Monster auf seinem Bauch zu bedeuten hat, und Britt nicht, ob sie davon träumt, einmal so schön zu sein wie die Sängerin auf ihrem Rücken. Ich frag Johanna nicht, warum sie ihre Füße in Stöckelschuhe zwängt, und Andi nicht, warum er alles drei Nummern zu groß kauft. Nee, Leute, ich frag nicht – und ich geb euch keine Antwort.«
    Damit hatte er zum zweiten Mal in einer einzigen Konfirmandenstunde für Ruhe gesorgt. Matti vom Berg hatte sich hinter Jakob und Tom verzogen, Britts Kopf war so rot wie Simones Haare. Johanna kreuzte die Füße und Andi starrte erwartungsvoll auf seinen Bruder Pitt.
    »Das sag ich meiner Mutter!«, erklärte auf einmal die kleine Judith. »Ich wette, das dürfen Sie nicht!« Diakon Jott stieß sich vom Türrahmen ab. Er sah sie an und nickte ihr zu. »Gut, dass du mich daran erinnerst«, sagte er mit seiner eintönigen Stimme. »Ich muss eure Eltern sprechen. Alle. Morgen Abend um sieben.« Damit drehte er sich um und verließ den Raum. »Und jetzt?«, sagte Johanna zu Britt. »Konfer ist nicht«, sagte Britt. Sie stand auf, marschierte an Pitt vorbei und stieg durchs Fenster nach draußen.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
    Kein Grund zum Feiern
    Es dämmerte schon, als vor dem Gemeindehaus wieder das Laub raschelte. Es waren wieder zwölf. Die Eltern von Jacques, Simone und Johanna waren zu zweit da, das machte sechs. Der große Dunkle war der Vater von Pitt und Andi, Judiths Mutter lief einen halben Schritt hinter ihm. Die Mühlberger, Tom, Jakob, Philip und Matti, wurden durch zwei Väter vertreten, Tamaras Eltern konnten nicht und Britts hatten sich geweigert. »Verstehen Sie das?«, fragte Johannas Mutter die rothaarige Mutter von Simone. »Nicht die Bohne«, sagte Simones Mutter. »Aber dass es eine Unverschämtheit ist, das weiß ich.«
    Sie schoben sich durch die blau gestrichene Tür und in den Gemeinderaum. »Wie es hier schon aussieht!«, bemerkte Johannas Mutter naserümpfend. Stühle standen kreuz und quer, ein Fenster war angelehnt. Zwei Stühle lagen mitten im Weg. »Ein Kreis ist das nicht«, ergänzte Pitts Vater.
    Diakon Jakobsen kam als Letzter. Die Erwachsenen hatten sich Stühle genommen und sich in zwei Reihen vor einen Tisch mit Kerzen und Gesangbüchern gesetzt, von dem sie annahmen, dass er der Platz des Redners sei.
    Diakon Jakobsen musterte die Anordnung und ging mit langen, langsamen Schritten zum Fenster. Er setzte sich auf das Fensterbrett und verschränkte die Arme im Nacken. »Das ist der Lieblingsplatz von Pitt«, sagte er in die Richtung von Pitts Vater. »Wenn das ein Vorwurf ist«, fuhr Pitts Vater auf, »dann erklären Sie uns erst einmal Ihren Aufzug!«
    Diakon Jakobsen trug ein ungefärbtes Gewand, und er war barfuß. Das Haar fiel ihm wellig auf die Schultern. Auch wenn er gekämmt und rasiert war, wirkte er irgendwie – unordentlich.
    Judiths Mutter stieß Pitts Vater an. »Frag lieber nicht, Jonas«, flüsterte sie. »Sonst fragt er dich, warum du Tennissocken trägst.«
    »Wir sind hier nicht zusammengekommen, weil wir uns austauschen wollen«, sagte Diakon Jakobsen mit seiner eintönigen Stimme. »Nein!«, bestätigte Johannas Mutter. »Denn dazu hätte es einer offiziellen Einladung bedurft, mit einer angemessenen Frist.« Diakon Jakobsen sah kurz in ihre Richtung und runzelte die Stirn. »Jaja«, sagte er irritiert. Dann holte er neu Atem.
    »Wir sind hier zusammengekommen«, begann er wieder, »um uns aufzulösen.« Und dann erklärte er den sprachlosen Eltern, dass er ihren Kindern keinen Konfirmandenunterricht mehr erteilen und sie – unter den gegebenen Umständen – auch nicht konfirmieren werde.
    Johannas Mutter stieß einen schrillen Schrei aus. »Sie lässt bereits Tischkärtchen drucken«, flüsterte Pitts Vater Judiths Mutter zu. Judiths Mutter verdrehte die Augen, und Pitts Vater grinste breit.
    »Ich glaube nicht, dass Sie das dürfen«, sagte einer der Väter vom Berg. Die anderen Eltern nickten zustimmend. »Wo kämen wir da hin!«, murmelte einer, und ein anderer ergänzte: »Das ist Ihr Job, mein Lieber!« Diakon Jakobsen hörte ihnen zu und begann zu lächeln. Das Lächeln sah langweilig und freudlos aus – wie der ganze Mann.
    »Gibt es dafür einen Grund?«, fragte Pitts Vater schließlich. Diakon Jakobsen nickte. »Ja«, sagte er. »Es ist Bußzeit. Wir haben keinen Grund zum
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