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Das Inselcamp

Das Inselcamp

Titel: Das Inselcamp
Autoren: Martina Steinkuehler
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nach ihm aus, bleckte schwarze, verfaulte Reißzähne.
    Jott konnte nur noch eines tun. Fliehen. So schnell und so weit wie möglich. Er musste aufspringen, rennen, fliegen …
    Der König sprach zu seinen Dienern: Bindet ihm die Hände und Füße …
    Zu spät. Es war schon geschehen. Zu spät war es zur Flucht. Jott konnte sich nicht rühren. Weder Hände noch Füße standen ihm zur Verfügung. Er kam nicht hoch, geschweige denn auf die Beine. Er zuckte nur noch. Dann lag er still.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
    Die 12 Geschworenen
    Den beiden Polizisten, die Spinne am Morgen des letzten Tages ins Lager führte, bot sich ein seltsames Bild. Neben dem erkalteten Lagerfeuer lag Jott. Er lag starr am Boden, mit seltsam verrenkten Gliedern. Er steckte in einem Schaffell. Es sah so aus, als habe er gekämpft. Mit diesem Fell. Vielleicht in einem schlimmen Albtraum.
    »Jakobsen!«, rief der jüngere Polizist und trat an ihn heran. »Aufwachen.« »Die Kinder sind wieder da«, sagte der ältere Polizist. »Und wie es aussieht, erheben sie schwere Vorwürfe.« »Gegen Sie, Jakobsen. Los jetzt, das ist kein Spaß! Machen Sie schon. Kommen Sie zu sich!«
    Jott schlug langsam die Augen auf. Benommen blinzelte er ins Licht. »Aber, aber, aber …« Er konnte nur murmeln und stottern. Zaghaft befreite er die Hände aus der Decke. Betrachtete sie wie ein unverhofftes Geschenk. Strich tastend über das Fell. Da zog der jüngere Polizist es ihm weg. »Aufstehen, Mann!«, befahl der ältere Polizist. »Punkt zehn geht es los!«
    Sie nahmen ihn in die Mitte. Toilette und Zähneputzen hatten sie ihm zugestanden, aber nur, weil Spinne darauf bestand. Sie hätte ihm auch noch Frühstück gemacht. Aber da sich im Küchenzelt nichts fand außer Bohnen, gab sie es auf und hielt ihm nur die Wasserflasche hin.
    Spinne marschierte voraus, rasch und sicher an diesem Morgen, ihr folgten die beiden Polizisten mit Jott. Der Weg war nicht weit. Sie betraten den Campingplatz und gingen geradewegs zum Aufenthaltszelt. Der ältere Polizist musste sich bücken, als er durch den Eingang trat. Jott tat es ihm nach, obwohl es bei seiner mittleren Größe nicht nötig war.
    So sah es aus, als ob er sich verneigte, bevor sein Blick auf die Versammlung fiel. Das Zelt war voller Menschen. Sie saßen in einem mehrfachen Ring rund um die freie Mitte. Sie hockten auf Matten, Kissen oder einfach auf dem Boden.
    Gegenüber der Türöffnung aber standen zwölf Stühle. Darauf saßen zweimal fünf in handgenähten Kutten: links Deike und Heike, Edwin und Gabriel. Rechts Pitt und Tom, Tamara und Johanna. In der Mitte waren zwei Stühle ein wenig vorgerückt. Links saß Rebekka. Der Rechte aber war leer. »Die zwölf Geschworenen«, rief eine helle Stimme aus dem Unsichtbaren. »Willkommen, Hans Jakobsen. Du stehst hier vor Gericht.«

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
    Die Verhandlung
    »Herr, du bist Richter, du nur kannst befreien …« Nach »Großer Gott, wir loben dich« sangen sie: »Herr, deine Liebe« – und besonders laut die dritte Strophe, die vom göttlichen Richter. Annes Querflöte gab den Ton an. Damit war die Versammlung eröffnet.
    Matti brachte für Jott einen aufblasbaren Campingsessel. Danach schlüpfte er rasch zurück in den Ring der Zuschauer. Auf der anderen Seite des Zeltes, ihm direkt gegenüber, saßen die Leute von der Surfschule. Matti sah seinen Vater und dessen Freund. Sie aber hatten ihn noch nicht erkannt.
    »Die zwölf Geschworenen haben das Wort«, sagte die Stimme aus dem Hintergrund. Matti wusste, dass das Britt war. Sonst hätte er sich ebenso beklommen gefühlt wie Jott.
    »Wir kamen auf die Insel, um Ruhe zu haben«, sagte Deike. »Er«, sagte Heike und wies auf den Angeklagten, der niedriger saß als sie, »hat uns die Ruhe genommen.« Edwin erhob sich halb von seinem Stuhl. »Aber … aber … aber«, stotterte er.
    »Aber das hat uns reicher gemacht«, sagte Gabriel ruhig. Seine Augen suchten Johanna, die neben Matti am Boden hockte. »Edwin hat Verständnis gefunden. Gerald helfende Hände. Und alle Kinder wurden gut betreut.«
    »Das sind seltsame Geschworene«, sagte Jonas zu Lena. Die beiden hockten ganz hinten an der Zeltwand, dort, wo die Gäste vom Campingplatz saßen. Lena hatte Judith im Blick und konnte die Augen nicht abwenden. Sie nickte. »Es ist eine seltsame Verhandlung.«
    »Wir sind auf die Insel gekommen, weil wir mussten«, sagte Jacques. »Er«, sagte Tamara und wies auf Jott, »hat uns gezwungen.«
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