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Das Inferno Roman

Titel: Das Inferno Roman
Autoren: Richard Laymon
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Mom?«
    Regungslos stand sie da und hielt die Luft an. In der unmittelbaren Umgebung war es sehr ruhig. Die einzigen Geräusche kamen von weiter weg: Sirenen, Automotoren, Geknalle, das wahrscheinlich von Schüssen stammte, Schreie, Hubschrauberrotoren.
    Sämtliche Aktivität schien sich woanders abzuspielen.
    Los Angeles war ein Ort der Unruhen, aber ihre Nachbarschaft war immer verschont worden - eine Insel der Ruhe inmitten der aufgewühlten haiverseuchten See.
    Zumindest war es jetzt ruhig.
    »Mom?«, rief sie ein weiteres Mal. »Wo bist du? Kannst du mich hören?« Sie lauschte nach einer Reaktion.
    Von irgendwo aus dem Schutthaufen hörte sie ein Stöhnen.
    Es schien von ihrer Linken zu kommen, irgendwo aus der Gegend, wo sich früher ihre Küche befunden hatte.
    »Hallo?«, rief sie. »Mom?«
    »Ba - Barrr?« Es war kaum mehr als ein Murmeln, aber Barbara hörte es.
    »Ja!«, schrie sie mit Tränen in den Augen. »Ich bin’s, Mom! Ich bin’s. Ich bin zu Hause! Wo bist du? Sag was. Ich bin auf dem Weg.«
    Sie begann durch den Schutt zu waten, vorsichtig Nägeln und zerbrochenem Glas ausweichend.
    »Mir geht es gut«, erklärte sie. »Ich bin nur ein bisschen angeschossen worden, aber mir geht es gut. Wir sind in Downtown aufgehalten worden, weil Mr. Wellen durchgedreht ist. Der Fahrlehrer? Er ist ausgeflippt … aber
wem ist das nicht passiert? Gott, du hattest Glück, dass du hier warst. In Downtown war es wie in einem Horrorfilm, das würdest du nicht glauben. Geht es dir gut? Sag doch was.«
    Sie blieb stehen.
    Nichts zu hören.
    »Mom?«
    »Baaa… Bad …«
    »Du bist im Badezimmer?«
    »Wanne.«
    »Du bist in der Wanne? Gut, ich finde dich. Wahrscheinlich hat die Wanne dir das Leben gerettet. Ich habe gesehen, wie das Haus aussieht und mir gedacht … Ich habe nur gehofft, dass du da nicht irgendwo drunter liegst. Ich hoffe, Dad geht es auch gut. Wahrscheinlich steckt er irgendwo im Verkehr fest. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was da draußen für ein Wahnsinn herrscht. Alle sind durchgedreht. Menschen werden einfach so umgebracht … Die gute Nachricht ist aber, dass die Nationalgarde bis morgen hier auftauchen soll. Das habe ich zumindest gehört. Das wäre aber auch keine Minute zu früh, wenn du mich fragst …«
    Der Anblick des Kopfs ließ sie verstummen.
    Der Kopf starrte sie vom zugemüllten Boden hinter dem Kühlschrank an.
    Ein Kopf mit verfilzten schwarzen Haaren und struppigem Bart, voller Blut und Gipsbrocken.
    Der Hals, der sich neben Barbaras Fuß befand, war nur noch ein hässlicher blutiger Stumpf.
    Schnell trat sie einen Schritt zurück.
    »Mom, wer ist das?«
    Keine Antwort.

    »Hier liegt ein Kopf.«
    Als Antwort ertönte ein Stöhnen aus der Nähe des halbverschütteten Herds.
    Ungefähr da, wo das Badezimmer gewesen sein musste.
    Sie eilte darauf zu.
    Als sie am Herd vorbeikam, fand sie dort eine Leiche, die ausgestreckt an einer Stelle lag, an der der Fußboden fehlte. Ein Mann.
    Alle seine Kleider waren weg.
    Aber seinen Kopf hatte er noch.
    Es muss doch eine Gang hier gewesen sein, und Plünderer auch. Aber Mom haben sie nicht gefunden.
    Barbara ging am Kopf des nackten Mannes vorbei und spähte durch das Loch im Boden, wo sie die Badewanne vorzufinden hoffte.
    Die Badewanne war da.
    Aber ihre Mutter nicht.
    Auf dem Boden der Wanne lag ein Mann, ein magerer kleiner Typ mit schwarzer Lederhose und Stiefeln. Er hatte kein Hemd an, aber besaß noch seinen Kopf, der jedoch völlig kahl war. Nicht einmal Augenbrauen hatte er.
    Und Augen auch nicht mehr.
    Nur noch dunkle schleimverklebte Höhlen.
    Barbara wandte ihren Blick ab und hob den Kopf. Sie suchte die Überreste des Hauses ab.
    »Mom?«
    Sie entdeckte ein Fußpaar, das hinter einem nahegelegenen Schuttberg hervorragte, aber die Füße steckten in schwarzen Stiefeln.
    »MOM!«, brüllte Barbara. »MOM, WO BIST DU? WAS IST LOS?«

    »Hier bin ich, Liebes.«
    Barbara zuckte zusammen. Die Stimme kam von hinten und hörte sich an wie ein Mann, der eine alte Frau nachäffte.
    Schnell drehte sie sich um.
    Der tote Mann, den sie auf dem Boden ausgestreckt gefunden hatte, war nicht tot.
    Und ausgestreckt war er auch nicht mehr.
    Er kauerte vor ihr und grinste sie lüstern an.
    »Überraschung«, sagte er.
    Barbara lief es eiskalt den Rücken hinunter.
    Ich hatte Recht, dachte sie. Einer der Nachbarn ist tatsächlich ausgetickt.
    Er trug keinen Faden am Leib. Sein Blick war so wild, wie sie es noch nie gesehen hatte. So rot wie
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