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Das Inferno Roman

Titel: Das Inferno Roman
Autoren: Richard Laymon
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Em hatte ihm einen Lappen um den Kopf gewickelt - eine Augenbinde, die ihn vor dem grellen Sonnenlicht schützen sollte.
    Dann hatten Em und Mary ihn bei den Armen genommen und Fahrspur um Fahrspur mit ihm im Schlepptau hinter sich gebracht, sich durch die abgestellten Fahrzeuge
gewunden, bis sie auf der anderen Seite angekommen waren.
    »Sie werden es nicht glauben«, hatte Em gesagt und seinen Arm geschüttelt, »wir haben es tatsächlich geschafft. Wir sind auf der anderen Seite des Sunset Boulevard angekommen. Und Mary ist noch am Leben.«
    »Vielleicht war das die einzige Mörderbande hier«, hatte Clint zu bedenken gegeben.
    »Vielleicht«, hatte Em gemeint. »Aber vielleicht haben die anderen Gangs auch mitbekommen, wie wir diesen Haufen Irrer hier fertiggemacht haben. Mitbekommen, dass man sich mit uns besser nicht anlegt und sich versteckt, als wir kamen.«
    Mary gluckste leise: »Ja, mit zwei Hühnern und einem Blinden legt man sich besser nicht an.«
    »Wissen Sie was, Mary?«
    »Du wirst es mir schon sagen, Em.«
    »Sieht aus, als ob Sie mit den steigenden Anforderungen gewachsen wären. Sie waren noch vor ein paar Stunden eine unerträgliche Nervensäge, und nun haben sie fast menschliche Züge an sich. Woher, glauben Sie, kommt das?«
    »Dem geschenkten Gaul sollte man nicht ins Maul schauen.«
    »Ja, gutes Argument. Vielleicht bringen Sie einfach gern Menschen um.«
    »Ich glaube, es ist andersherum: Sie rettet gern Menschen. Und das hat sie verdammt gut hinbekommen.«
    Danach hatten sie ihren Weg fortgesetzt, Em an seinem einen Arm, Mary am anderen. Sie leiteten ihn um Hindernisse herum und beschrieben ihm, was sie sahen: zusammengefallene Gebäude, Risse im Straßenbelag,
verlassene Fahrzeuge und gelegentlich Gruppen von Menschen, die unter den eingestürzten Mauern nach Verschütteten suchten.
    Viele Menschen schienen nicht unterwegs zu sein. Zwar berichteten ihm Mary und Em, dass sie keine umherstreifenden Gangs gesehen hatten, aber sie hatten jede Menge Leichen gefunden. Den meisten hatte man die Kleider vom Leib gerissen, viele waren entstellt.
    Clint konnte sie nicht sehen, und das war ihm sehr recht.
    Einerseits war er froh, die ganzen schlimmen Sachen nicht sehen zu müssen, aber er hasste es, etwaige Gefahren nicht im Auge zu haben. Er hatte das Gefühl, Em und Mary im Stich gelassen zu haben. Er sollte doch ihr Beschützer sein. Wie wollte er sie beschützen, wenn er die Gefahren nicht erkennen konnte?
    Was, wenn das nicht mehr verschwindet?, fragte er sich. Wie kann ich mich um Sheila und Barbara kümmern …?
    Vielleicht leben sie nicht mehr.
    Nein!
    Als er auf dem Boden lag, mit Em und Mary an seiner Seite, drängte sich ihm der Gedanke auf, vielleicht schon eine Ersatzfamilie gefunden zu haben.
    Ich will keinen Ersatz! Ich will Sheila und Barbara!
    Energisch stemmte er sich mit den Ellenbogen vom Asphalt hoch und setzte sich auf. »Wir müssen los. Ich muss nach Hause.«
    Er streckte die Arme in die Höhe und griff suchend um sich.
    Mary nahm seine rechte Hand und sagte: »Ich bin so weit.«

    Seine linke Hand, die nach Em suchte, fand ihr Gesicht. Sie sagte nichts und bewegte sich nicht. Er konnte ihre Stirn und ihre Augenbrauen mit seinen Fingern ertasten, spürte, wie sich ihre Nase gegen seine Handfläche presste, ihre weichen Lippen.
    Sie drückte ihm einen Kuss auf die Hand.
    Ich hätte nichts dagegen, wenn du bei mir bleiben würdest, dachte er. Falls deine Mutter nicht überlebt hat …
    Aufhören.
    Sanft zwirbelte er Ems Nase. Em ergriff seine Hand. »Wir machen uns besser auf den Weg«, sagte sie. »Die Zeit läuft uns davon.«
     
    Statt sich tief in Stanleys Hals zu graben, verpasste das Schlachtermesser ihm gerade mal einen kleinen Ritz in der Kehle, weil das Nachbeben Weed aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Sie stolperte rückwärts durch das aufgewühlte Wasser.
    Unter das orkanartige Gebrüll des Bebens mischte sich das Krachen eines Schusses.
    Stanley, der den Halt verloren hatte und stürzte, spürte keinen Einschuss. Er warf sich herum.
    Für Sekundenbruchteile, bevor das Wasser ihm die Sicht nahm, erhaschte er einen flüchtigen Blick auf Judy an der Poolecke. Sie fuchtelte mit dem Revolver in der Luft herum.
    Das Wasser schlug über Stanleys Kopf zusammen.
    Er wurde unter Wasser gedrückt, durchgeschüttelt, hinund hergeworfen.
    Ich ertrinke!
    Scheiße!

    Gedanken schossen ihm durch den Kopf: Wie ein Wunder hatte das Nachbeben rechtzeitig eingesetzt, um ihn vor
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