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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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heute ihre Feinde sind.«
    Er hörte in ihrer Sprache einen besonderen Akzent, eine seltsame Art, die letzten Silben in die Länge zu ziehen. Dann sah er einen Moment auf die weißen Augen der Statuen. Sie waren noch nicht erwacht.
    »Warum mischst du dich in all das ein?«, fragte er erstaunt. »Die Geschichte ist zu Ende. Und sie ist ohne dich zu Ende gegangen.«
    »Ich bin zu spät gekommen, das stimmt. Aber ich kann noch etwas für Sema tun.«
    »Was?«
    »Dich daran hindern, mit deiner abscheulichen Jagd fortzufahren.«
    Er lächelte und sah sie offen an, trotz der auf ihn gerichteten Waffe. Sie war eine große, dunkelhaarige, sehr schöne Frau. Ihr Gesicht war blass, von zahlreichen Falten durchzogen, aber diese schienen ihre Schönheit eher zu betonen als zu beeinträchtigen. Angesichts dieser Erscheinung stockte ihm der Atem. Sie ergriff wieder das Wort: »Ich habe in Paris die Artikel über den Mord an den drei Frauen gelesen. Ich bin Nervenärztin und könnte deinem Wahn, deinem Hass gegen Frauen komplizierte Namen geben... Doch wozu wäre das gut.«
    Der Mann begriff, dass sie gekommen war, um ihn zu töten - sie war ihm hierher gefolgt, um ihn zu erledigen. Von der Hand einer Frau zu sterben, das war unmöglich. Er konzentrierte sich auf die steinernen Köpfe. Bald würde das Licht sie zum Leben erwecken. Ob ihm die Riesen sagen würden, was er tun sollte?
    »Und du bist mir bis hierher gefolgt?«, fragte er, um Zeit zu gewinnen.
    »In Istanbul habe ich deinen Verein ohne Mühe gefunden. Ich wusste, dass du früher oder später kommen würdest, trotz des Haftbefehls, trotz deiner Situation. Als du endlich, von Leibwächtern umgeben, aufgetaucht bist, habe ich dich nicht mehr aus den Augen gelassen. Tagelang bin ich dir gefolgt, habe dich ausgespäht, beobachtet. Und ich habe begriffen, dass ich keine Chance haben würde, an dich heranzukommen, und noch weniger, dich zu überraschen... «
    Eine seltsame Entschlossenheit klang aus ihren Worten, die ihn zu interessieren begann. Er sah sie erneut an, und durch den Hauch seines Atems hindurch fiel ihm ein anderes Detail auf: der von der Kälte leicht violett verfärbte Mund von zu leuchtendem Rot. Der Anblick dieser organischen Farbe ließ seinen Hass gegen Frauen wieder aufleben. Wie alle anderen Farben bedeutete auch diese eine Gotteslästerung, eine zur Schau gestellte Versuchung, die ihrer Macht sicher war...
    »Und da geschah ein Wunder«, fuhr sie fort. »Eines Morgens kamst du aus deinem Versteck. Allein. Und dann bist du zum Flughafen gefahren. Ich habe dir einfach alles nachgemacht und mir einen Flugschein nach Adana gekauft. Ich nahm an, du wolltest geheime Labors oder Trainingslager besuchen. Aber warum allein fortgehen? Ich habe an deine Familie gedacht. Aber das war nicht deine Art. Du hast nur eine Familie, und das ist die Rotte der Wölfe. Was wolltest du also? In ihrem Brief hat Sema dich als Jäger beschrieben, der aus dem Osten, aus der Gegend von Adiyaman kommt und von Archäologie besessen ist. Vor der Abreise habe ich Karten und Reiseführer gekauft und habe von Nemrud Dag und den Statuen erfahren. Die Risse im Stein haben mich an die entstellten Gesichter erinnert. Ich habe erkannt, dass die Skulpturen dein Vorbild waren. Das Modell, das deinen Wahn strukturiert. Du wolltest dich in diesem unzugänglichen Heiligtum sammeln, um deinem eigenen Wahn zu begegnen.«
    Er beruhigte sich wieder. Ja, er schätzte die Einzigartigkeit dieser Frau, der es gelungen war, ihn auf seinem Territorium ausfindig zu machen. Sie war auf seiner Pilgerreise mit ihm zusammengetroffen. Vielleicht war sie sogar würdig, ihn zu töten...
    Er warf einen letzten Blick auf die Statuen. Jetzt erstrahlten sie in hellem Weiß in der Sonne. Nie waren sie ihm so stark vorgekommen und zugleich so weit entfernt. Ihr Schweigen war die Bestätigung, dass er verloren hatte und ihrer nicht mehr würdig war.
    Er nahm einen tiefen Atemzug und wies mit einer Kopfbewegung auf sie: »Spürst du die Macht dieses Ortes?«
    Er kniete immer noch, nahm eine Hand voll rosafarbenen Schnee und zerbröckelte ihn zwischen den Fingern: »Ich bin nur wenige Kilometer von hier geboren, im Tal. Damals gab es noch keine Touristen. Ich kam ganz allein auf diese Terrasse hier. Am Fuß der Statuen habe ich meine Träume von Macht und Feuer entwickelt.«
    »Von Blut und Mord.«
    Er lächelte zustimmend. »Wir arbeiten für die Wiederkehr des türkischen Reiches. Wir kämpfen für den Sieg unserer Rasse
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