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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Widderhörner. Rein männliche Symbole. Er hing wahrscheinlich im Zelt eines Sippenoberhauptes.«
    Sema blieb stumm, es herrschte peinigende Stille.
    »Ein Männerteppich«, betonte er, »nur dass er von einer Frau gewebt worden ist, wie alle Kelims aus Mittelasien.« Er lächelte und machte eine Pause. »Ich stelle mir oft die Frau vor, die ihn gewebt hat: Eine Mutter, die von der Welt der Krieger ausgeschlossen war, aber ihre Gegenwart bis in das Zelt des Khans hinein behauptet hat. «
    Sema machte nicht die geringste Bewegung. Die Leibwächter traten näher an sie heran.
    »Damals versteckten die Weberinnen zwischen anderen Motiven ein Dreieck, um ihren Teppich vor dem bösen Blick zu schützen. Mir gefällt die Idee: Geduldig webt eine Frau ein männliches Bild voller kriegerischer Motive, aber irgendwo am Rand einer Verzierung bringt sie ein mütterliches Symbol unter. Kannst du auf diesem Kelim das Glück bringende Dreieck finden?«
    Weder eine Antwort noch eine Bewegung bei Sema. Er nahm die Ayrankaraffe, füllte sein Glas und trank es langsam aus.
    »Siehst du es nicht?«, fragte er schließlich. »Es ist nicht von Belang. Diese Geschichte erinnert mich an deine, Sema. Diese in der Welt der Männer verborgene Frau, die etwas versteckt, das uns alle betrifft. Eine Sache, die uns Glück und Wohlstand bringen soll.«
    Seine Stimme erstarb, dann hakte er plötzlich lebhaft nach: »Wo ist das Dreieck, Sema? Wo sind die Drogen?«
    Keine Reaktion. Die Worte glitten an ihr ab wie Regentropfen, und er war nicht einmal sicher, ob sie zuhörte, als sie plötzlich sagte: »Ich weiß es nicht.«
    Er lächelte noch immer: Wollte sie wirklich verhandeln? Doch sie fuhr fort: »Ich wurde in Frankreich verhaftet. Die Polizei hat mich psychisch manipuliert und eine Gehirnwäsche vorgenommen. Ich erinnere mich nicht an meine Vergangenheit. Ich weiß nicht, wo die Drogen sind. Ich weiß nicht einmal, wer ich bin. «
    Kudseyi suchte Azar mit Blicken. Auch er schien verblüfft zu sein. »Glaubst du, dass ich eine so absurde Geschichte glaube?«, fragte er.
    »Es war eine lange Behandlung«, fuhr sie in ruhigem Ton fort. »Eine Methode der Suggestion unter Einfluss einer radioaktiven Substanz. Die meisten, die an dem Experiment mitgewirkt haben, sind tot oder verhaftet. Ihr könnt es nachprüfen. All das steht in den französischen Zeitungen, in den Ausgaben von gestern und vorgestern.«
    Misstrauisch versuchte Kudseyi, den Dingen auf den Grund zu gehen. »Hat die Polizei das Heroin beschlagnahmt?«
    »Sie wissen nicht einmal, dass eine Drogenlieferung eine Rolle gespielt hat.«
    »Was?«
    »Sie wussten nicht, wer ich bin. Sie haben mich ausgesucht, weil ich unter Schock stand. Im türkischen Bad von Gurdilek, nach dem Angriff von Azer. Sie haben mein Gedächtnis ausgelöscht, ohne mein Geheimnis zu kennen.«
    »Für jemanden, der sein Gedächtnis verloren hat, weißt du eine ganze Menge.«
    »Ich habe Recherchen unternommen.«
    »Woher kennst du den Namen von Azer?«
    Sema lächelte so kurz wie der Klick einer Fotoaufnahme. »Jeder kennt ihn. Man braucht in Paris nur Zeitung zu lesen.«
    Kudseyi schwieg. Er hätte andere Fragen stellen können, aber seine Überzeugung stand fest. Er hatte nicht so lange gelebt, um nicht das unzerstörbare Gesetz zu kennen: Je absurder die Tatsachen scheinen, desto größer ist die Chance, dass sie mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Und doch verstand er ihr Vorgehen nicht.
    »Warum bist du zurückgekommen?«
    »Ich wollte euch sagen, dass Sema tot ist. Sie ist mit meinen Erinnerungen gestorben. «
    Kudseyi brach in Lachen aus: »Hast du gehofft, ich würde dich gehen lassen?«
    »Ich hoffe nicht mehr. Ich bin eine andere. Ich will nicht im Namen einer Frau, die ich nicht mehr bin, auf der Flucht sein.«
    Er stand auf, ging ein paar Schritte und erhob drohend den Stock: »Du musst wirklich das Gedächtnis verloren haben, um mit leeren Händen herzukommen.«
    »Wenn es den Schuldigen nicht mehr gibt, kann es auch keine Strafe geben.«
    Eine seltsame Wärme floss durch seine Adern. Unglaublich, er war wirklich versucht, sie zu verschonen. Das war ein möglicher Epilog, vielleicht der originellste und feinsinnigste überhaupt: das neue Geschöpf entkommen zu lassen... Vergessen, er musste diesen Gedanken schnell wieder vergessen, und Kudseyi sagte, indem er ihr fest in die Augen sah: »Du hast kein Gesicht mehr. Du hast keine Vergangenheit mehr. Du hast keinen Namen mehr. Du bist zu einer Abstraktion
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