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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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geworden, das ist wahr. Und doch hast du deine Leidensfähigkeit bewahrt, und wir werden unsere Ehre im Bett deiner Schmerzen reinwaschen. Wir... «
    Plötzlich stockte Ismail Kudseyi der Atem.
    Die Frau vor ihm hielt ihm ihre Handflächen hin.
    Auf beiden war eine Zeichnung aus Henna zu sehen. Ein Wolf, der unter vier Monden heult. Das Zeichen der Versammlung, das Zeichen, das die Anhänger der neuen Linie verwendeten. Er selbst hatte den drei Monden der osmanischen Fahne einen vierten hinzugefügt, der die Goldene Sichel symbolisierte.
    Kudseyi ließ seinen Stock los und schrie, indem er mit dem Zeigefinger auf Sema wies: »Sie weiß es, SIE WEISS ES!«
    Sie nutzte den Moment der Verblüffung, sprang hinter einen der Wächter und umklammerte ihn fest. Ihre rechte Hand umfasste die Finger des Mannes und den Abzug der MP-7, sie löste einen Kugelhagel in Richtung Podest aus.
    Ismail Kudseyi spürte, wie er vom Boden hochgerissen und von einem zweiten Leibwächter vor das Sofa geschoben wurde. Er rollte am Boden entlang und sah seinen Beschützer, der sich in einer rosenförmigen, rötlichen Lache wälzte, während seine Waffe den gesamten Raum unter Beschuss nahm. Unter den Einschlägen der Geschosse sprangen die Truhen in tausend Stücke. Funken kreuzten einander wie elektrische Lichtströme, die Decke verschwand unter Wolken aus Gips. Der erste Mann, den Sema als Schild benutzte, brach in dem Moment zusammen, als sie ihm die MP entriss.
    Kudseyi sah Azer nicht mehr.
    Sema stürzte auf Kisten zu, die sie zur Seite warf, um Unterschlupf zu finden. In diesem Moment drangen zwei weitere Männer in den Saal. Sie hatten den Raum kaum betreten, als sie schon getroffen wurden. Der dumpfe Ton von Semas Pistole rhythmisierte das Dröhnen der vor sich hin feuernden automatischen Waffen.
    Ismail Kudseyi versuchte, hinter das Sofa zu rutschen, aber er kam nicht vorwärts - die Anweisungen seines Gehirns wurden vom Körper nicht mehr befolgt. Er lag reglos auf dem Parkett, unfähig sich zu bewegen. Ein Signal dröhnte in seinem ganzen Körper: Er war getroffen.
    Drei andere Wächter erschienen auf der Schwelle, sie schossen abwechselnd, dann verschwanden sie wieder hinter dem Türrahmen. Kudseyi zwinkerte angesichts des Gewehrfeuers mit den Augen, doch er hörte den Klang nicht mehr. Seine Ohren und sein Gehirn schienen voller Wasser.
    Er rollte sich zusammen, die Finger um ein Kissen gekrallt. In seinen Eingeweiden durchdrang ihn ein tiefer Schmerz, der ihn in dieser Fötus-Haltung festzuhalten schien. Er senkte die Augen: Seine Därme lagen bloß, sie hingen zwischen seinen Beinen herab.
    Alles wurde schwarz. Als er wieder zu sich kam, lud Sema ihre Pistole am Fuß der Stufen, im Schutz einer Truhe auf den Boden gekauert. Er drehte sich zum Rand des Podestes und streckte die Arme aus. Doch ein Teil von ihm konnte diese Geste kaum zulassen. Er bat um Hilfe.
    Er bat Sema Hunsen um Hilfe!
    Sie drehte sich um. Mit Tränen in den Augen bewegte Kudseyi die Hand. Sie zögerte eine Sekunde, dann ging sie die Stufen hinauf. Sie bewegte sich außerhalb der Schusszone, während die Waffen weiterfeuerten. Der Alte stöhnte vor Dankbarkeit, er streckte die hagere, zitternde, rote Hand aus, aber die Frau ergriff sie nicht.
    Sie richtete sich auf und streckte ihre Pistole weit vor ihren Körper, wie man einen Bogen spannt, als Ismail Kudseyi ein Licht aufging. Er begriff, warum Sema Hunsen nach Istanbul gekommen war. Sie war gekommen, um ihn zu töten. Um den Hass an der Quelle auszulöschen. Und womöglich auch, um einen Lebensbaum zu rächen, dessen Wurzeln er hatte verdorren lassen.
    Er fiel erneut in Ohnmacht. Als er die Augen wieder öffnete, stürzte sich Azer auf Sema. Sie rollten am Fuß der Stufen zwischen Lederfetzen und Blutlachen umher. Der Kampf begann, als Furchen von Blitzen noch immer den Rauch durchzogen. Arme, Fäuste, Schläge - ohne dass ein einziger Schrei ertönte. Nur die erstickte Beharrlichkeit des Hasses war zu vernehmen, die Wut von Körpern, die überleben wollen.
    Azer und Sema, seine Unheil bringende Nachkommenschaft.
    Auf dem Bauch liegend, versuchte Sema, die Waffe zu ziehen, doch Azer drückte sie mit seinem Gewicht nach unten. Er hielt sie am Nacken fest und zückte ein Messer. Sie entzog sich seinem Griff, fiel wieder auf den Rücken. Er holte aus und traf sie mit seiner Klinge am Bauch. Sema versuchte zu sprechen, doch es kamen nur Silben von Blut hervor.
    Kudseyi lag auf dem Podest, ein Arm hing herunter.
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