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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire
Autoren: John Irving
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Junior Jones werden mir mein erstes Kind verschaffen. Um das Kind hat nicht mal Susie Angst.
    »Das Kind wird wunderschön«, sagt Susie. »Wenn Franny und Junior es machen, da kann ja nichts schiefgehen!«
    »Kann denn bei uns was schiefgehen?« frage ich sie. »Sobald du's zur Welt bringst, wird es ein wunderschönes Kind sein, glaub mir.«
    »Aber denk doch nur an die Farbe«, sagte Susie. »Wenn Junior und Franny es machen, meine ich, da muß es doch eine absolut phantastische Farbe haben, oder nicht?«
    Aber ich weiß - Junior Jones hat es mir selbst gesagt -, daß Frannys und Juniors Baby jede Farbe haben kann. »Zwischen Kaffee und Milch ist alles drin«, sagt Junior gern.
    »Jede Babyfarbe wird phantastisch sein, Susie«, sage ich ihr. »Das weißt du doch.« Aber Susie braucht einfach noch mehr Überzeugung.
    Ich glaube, wenn Susie Juniors und Frannys Baby sieht, wird sie auch eins wollen. Das hoffe ich jedenfalls - schließlich bin ich fast vierzig, und Susie ist schon darüber hinaus, und wenn wir ein Baby haben wollen, dann sollten wir nicht mehr viel länger warten. Ich glaube, Frannys Baby wird den Ausschlag geben; selbst Vater stimmt mir zu - und selbst Frank.
    Und ist das nicht typisch Franny, daß sie mir großzügig anbietet, ein Baby für mich zu bekommen? Ich meine, seit jenem Tag in Wien, an dem sie uns allen versprach, sie werde sich um uns kümmern, sie werde unsere Mutter sein, hat Franny nicht einmal nachgelassen, Franny hat sich durchgesetzt - der Held in ihr hat ständig trainiert, der Held in Franny könnte einen ganzen Ballsaal voller Hanteln heben.
    Es war erst im letzten Winter, nach dem großen Schnee, als Franny mich anrief, um mir zu sagen, sie werde ein Baby zur Welt bringen - nur für mich. Franny war gerade vierzig; sie sagte, wenn sie ein Baby zur Welt bringe, dann schließe sie damit die Tür zu einem Zimmer, in das sie nicht zurückkehren werde. Als das Telefon läutete, war es noch so früh am Morgen, daß Susie und ich glaubten, es sei ein Vergewaltigungs-Notruf, und Susie sprang aus dem Bett, weil sie glaubte, sie müsse sich wieder mal um ein Vergewaltigungsopfer kümmern. Aber es war unser normales Telefon, das läutete, und es war Franny - mit einem Ferngespräch von der Westküste. Sie und Junior waren noch auf und hatten eine kleine Party zu zweit; sie seien noch nicht schlafen gegangen, sagten sie - und sie betonten, in Kalifornien sei es immer noch Nacht. Sie klangen ein bißchen betrunken und albern, und Susie war verärgert; sie sagte ihnen, niemand außer einem Vergewaltigungsopfer rufe uns so früh am Morgen an, und dann gab sie den Hörer an mich weiter.
    Ich mußte Franny den üblichen Bericht über das Vergewaltigungs-Notrufzentrum geben. Franny hat für das Zentrum ziemlich viel Geld gestiftet, und Junior hat dafür gesorgt, daß wir in unserem Bezirk in Maine gute juristische Berater bekamen. Allein im vergangenen Jahr konnte Susies Zentrum einundneunzig Opfern von Vergewaltigungen oder von vergewaltigungsähnlichen Mißhandlungen medizinischen, psychologischen und juristischen Rat geben. »Nicht schlecht - für Maine«, wie Franny sagt.
    »In New York und L.A. Mann«, sagte Junior Jones, »gibt es vielleicht einundneunzig tausend Opfer im Jahr. Alle
    möglichen Opfer«, fügt er hinzu.
    Es war nicht schwer, Susie zu überzeugen, daß all diese Zimmer im Hotel New Hampshire zu etwas zu gebrauchen waren. Unsere Möglichkeiten sind einem VergewaltigungsNotrufzentrum mehr als angemessen, und Susie hat inzwischen einige Studentinnen vom College in Brunswick ausgebildet, so daß wir immer eine Frau am Notruf-Telefon haben. Susie hat mich angewiesen, nie an dieses Telefon zu gehen. »Das letzte, was ein hilfesuchendes Vergewaltigungsopfer hören will«, sagte Susie zu mir, »ist so ein Ficker von einem Mann.«
    Natürlich gibt es immer wieder Komplikationen mit Vater, der nicht sehen kann, welches Telefon läutet. Vater hat es sich daher angewöhnt, immer wenn ihn das Läuten eines Telefons aufschreckt, einfach »Telefon!« zu brüllen. Selbst wenn er dicht danebensteht.
    Überraschenderweise ist Vater, der ja das Hotel New Hampshire immer noch für ein Hotel hält, kein schlechter Berater für die Vergewaltigungsopfer. Er weiß wohl, daß Vergewaltigungs-Notrufe Susies Betätigungsfeld sind - er weiß nur nicht, daß das unsere einzige Betätigung ist, und manchmal unterhält er sich mit einem der Vergewaltigungsopfer, die ein paar Tage bei uns im Hotel New
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