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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire
Autoren: John Irving
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gibt's denn heute morgen?«
    »Wenn Junior und ich ein Baby haben«, wollte Franny von Susie wissen, »kümmert ihr euch dann darum, du und John?«
    »Da kannst du deinen süßen Arsch drauf verwetten, Schätzchen«, sagte mein guter Bär.
    Und damit war der Fall geregelt. Wir warten immer noch. Typisch Franny: sie braucht länger als alle anderen. »Das liegt an mir, Mann«, sagt Junior Jones. »Dieses Baby ist so groß, daß es ein bißchen länger im Backofen bleiben muß als andere.«
    Er muß wohl recht haben, denn Franny trägt mein Baby nun schon fast zehn Monate lang. »Sie ist massig genug, um für die Browns zu spielen«, klagt Junior Jones; ich rufe ihn jeden Abend an und lasse mir berichten.
    »Jessas Gott«, sagt Franny zu mir. »Ich liege nur noch den ganzen Tag im Bett und warte auf die Explosion. Es ist so langweilig. Was ich deinetwegen alles aushalte, mein Liebster«, sagt sie zu mir - und wir lachen darüber, und das Lachen gehört nur uns beiden.
    Susie geht umher und singt ›Der Tag ist nah‹, und Vater hebt immer noch mehr Gewichte; er arbeitet in letzter Zeit wie ein Wahnsinniger mit den Gewichten. Er ist überzeugt, das Baby wird als Gewichtheber geboren werden, und Vater sagt, er muß sich in Form bringen, um mit ihm fertigzuwerden. Und all die Frauen vom Zentrum haben sehr viel Geduld mit mir - mit meiner Unart, mich auf jedes Telefon zu stürzen, das läutet. »Es ist nur der Notruf«, sagen sie mir. »Entspann dich.«
    »Wahrscheinlich nur eine Vergewaltigung, Schätzchen«, versichert mir Susie. »Es ist nicht dein Baby. Beruhige dich.«
    Es geht überhaupt nicht darum, daß ich begierig auf die Nachricht warte, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Dieses eine Mal bin ich der gleichen Meinung wie Frank. Es spielt keine Rolle. Heutzutage, wo sie so viele Voruntersuchungen machen - vor allem bei einer Frau in Frannys Alter -, wissen sie natürlich schon das Geschlecht des Kindes; irgend jemand weiß es jedenfalls. Franny nicht - sie wollte es nicht wissen. Wer will schon solche Dinge im voraus wissen? Wer wüßte denn nicht, daß die halbe Freude in der ahnungsvollen Vorfreude liegt?
    »Was immer es ist, es wird sich langweilen«, sagt Frank.
    »Sich langweilen, Frank!« brüllte Franny. »Wie kannst du es wagen, zu sagen, mein Baby werde sich langweilen?«
    Aber Frank äußert nur eine typische New Yorker Meinung über Maine. »Wenn das Baby in Maine aufwächst«, beharrt Frank, »wird es sich langweilen müssen.«
    Aber ich mache Frank darauf aufmerksam, daß das Leben im Hotel New Hampshire nie langweilig ist. Nicht in dem sorglosen ersten Hotel New Hampshire, nicht in dem düsteren Traum, den das zweite Hotel New Hampshire darstellte, und auch nicht in unserem dritten Hotel New Hampshire - in dem Klasse-Hotel, das wir zuletzt doch noch geworden sind. Keiner langweilt sich. Und Frank sieht das am Ende auch ein; schließlich ist er hier ein häufiger und stets willkommener Gast. Er herrscht dann in der Bibliothek im ersten Stock so, wie Junior Jones die Hanteln im Ballsaal beherrscht, wenn er uns besucht, oder wie Frannys Schönheit alle Räume veredelt, wenn sie da ist - die gute Luft und die kalte See in Maine: Franny veredelt einfach alles. Ich rechne voll damit, daß Frannys Kind einen ähnlich guten Einfluß haben wird.
    Um Franny Mut zu machen, versuchte ich ihr am Telefon ein Gedicht von Donald Justice vorzulesen, das Gedicht mit dem Titel ›An ein Kind, das zehn Monate auf sich warten läßt.‹

Spät Eintreffender, nicht
    Einer dächte daran, dir vorzuwerfen,
    Daß du so zögerst.

    Wer würde seine Hand, bereit zu klopfen
    An eine Tür, so fremd wie diese,
    Nicht nochmals sinken lassen?

    »Hör auf, das reicht«, unterbrach mich Franny. »Verschon mich bitte mit diesem verfickten Donald Justice. Ich hab schon so viele Donald-Justice-Gedichte gehört, daß ich davon gleich schwanger werde, oder zumindest Bauchschmerzen bekomme.«
    Aber Donald Justice hat recht, wie gewöhnlich. Wer würde nicht davor zögern, in diese Welt zu kommen? Wer würde sein Märchen nicht möglichst lange hinausschieben? Schon jetzt also läßt Frannys Kind bemerkenswerte Einsicht und seltenes Feingefühl erkennen.
    Und gestern kam der Schnee; in Maine lernen wir, das Wetter persönlich zu nehmen. Susie war in Bath, um die mutmaßliche Vergewaltigung einer Kellnerin zu untersuchen, und ich machte mir Sorgen, weil sie im Schneesturm zurückfahren mußte, aber Susie war noch vor dem Abend sicher
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