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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire
Autoren: John Irving
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Mutter.
    Und so baten wir den Mann und seine Frau und seine vier kleinen Kinder als unsere Gäste ins Hotel New Hampshire, obwohl wir »im Winter geschlossen« hatten. Mehr Nudeln zu machen, ist kein Problem, und eine Muschelsoße läßt sich leicht strecken.
    Vater geriet ein wenig durcheinander, als er unsere Gäste zu ihren Zimmern brachte. Es war das erste Mal in diesem Hotel New Hampshire, daß er einem Gast ein Zimmer zeigen mußte, und als er in der Bibliothek nach Bettwäsche suchte, wurde ihm klar, daß er keine Ahnung hatte, wo alles aufbewahrt wurde. Ich mußte ihm natürlich helfen, und es gelang mir ganz gut, so zu tun, als brächte ich ständig Gäste zu ihrem Zimmer.
    »Sie müssen schon entschuldigen, wenn nicht alles reibungslos klappt«, sagte ich zu dem Vater der netten jungen Familie. »Außerhalb der Saison kommen wir leicht ein bißchen aus der Übung.«
    »Es ist reizend von Ihnen, uns überhaupt aufzunehmen«, sagte die nette junge Mutter. »Die Kinder waren enttäuscht, als sie hier keine Skiläufer sahen, aber ein Meer haben sie auch noch nie gesehen - sie kommen also auf ihre Kosten. Und das Skilaufen können sie ja morgen nachholen«, fügte sie hinzu. Sie schien mir eine gute Mutter.
    »Ich erwarte selber ein Kind«, sagte ich zu ihr. »Es kann jeden Tag soweit sein.« Und erst später wies mich Susie darauf hin, daß sich meine Bemerkung sonderbar angehört haben muß, da selbst Susie eindeutig nicht schwanger war.
    »Wie zum Teufel sollten sie sich zusammenreimen, was du meinst, du Schwachkopf!« sagte Susie.
    Aber alles war in bester Ordnung. Die Kinder hatten einen prächtigen Appetit, und nach dem Essen zeigte ich ihnen, wie man einen Apfelkuchen macht. Und während der Kuchen im Backofen war, machte ich mit ihnen einen gespenstischen Winterspaziergang hinunter zum sturmgepeitschten Strand und zu den schneeverwehten Landestegen; ich zeigte ihnen, wie die wütenden Wellen überall am Ufer die Spitzenmuster aus Eis überrollten; ich zeigte ihnen, daß das Meer bei einem Sturm eine große graue Wassermasse ist, die pausenlos heranrollt, Welle auf Welle. Mein Vater erzählte dem jungen Ehepaar aus Arizona natürlich alles über den wundersamen Sympathieraum, den ein wirkliches Klasse-Hotel bietet; wie Susie mir sagte, beschrieb er den netten Leuten aus Arizona unser Hotel, als beschreibe er das Sacher.
    »Aber im Grunde sind wir das Sacher, für ihn«, sagte mein warmer Bär in dieser Nacht in meinen Armen, während draußen der Sturm heulte und der Schnee fiel.
    »Ja, Liebste«, sagte ich zu ihr.
    Es war wunderbar, am Morgen im Bett zu liegen und die Stimmen der Kinder zu hören; sie hatten die Hanteln im Ballsaal entdeckt, und Vater gab ihnen Tips. Iowa-Bob wäre von diesem Hotel New Hampshire bestimmt begeistert gewesen, dachte ich.
    Bei dem Gedanken weckte ich dann Susie und bat sie, in das Bärenkostüm zu schlüpfen.
    »Earl!« beschwerte sie sich. »Ich bin zu alt, um noch ein Bär zu sein.« Sie ist frühmorgens ziemlich bärbeißig - meine gute Susie.
    »Nun mach schon, Susie«, sagte ich. »Tu es für die Kleinen. Denk doch nur, was es für sie bedeuten wird.«
    »Was denn?« sagte Susie. »Willst du vielleicht, daß ich den Kindern angst mache?«
    »Nein, nein, Susie«, sagte ich. »Du sollst ihnen doch nicht angst machen.« Ich wollte nur, daß sie das Bärenkostüm anzog und draußen im Schnee ums Hotel herumging, und ich würde plötzlich rufen: »Seht mal! Bärenspuren im Schnee! Und sie sind frisch!«
    Und die Leute aus Arizona, groß und klein, würden alle aus dem Haus kommen und über die Wildnis staunen, in die sie - wie in einem Traum - geraten waren, und dann würde ich rufen: »Da! Da ist der Bär! Da drüben bei dem Holzstoß!« Und Susie würde dort stehenbleiben - vielleicht konnte ich sie überreden, ein, zwei gute Earl! von sich zu geben -, und dann würde sie in ihrer Bärenmanier hinter dem Holzstoß verschwinden und durch einen der Hintereingänge ins Haus schleichen und ihr Kostüm abstreifen und mit den Worten in die Küche kommen: »Was höre ich da von einem Bären? Man sieht hier in der Gegend kaum noch Bären.«
    »Du willst, daß ich da rausgehe, in den verfickten Schnee?« fragte Susie.
    »Für die Kleinen, Susie«, sagte ich. »Was für ein Fest das für sie wäre! Erst sehen sie das Meer, und dann sehen sie einen Bären! Jeder sollte einmal einen Bären sehen, Susie«, sagte ich. Natürlich stimmte sie zu. Sie machte sich mißmutig an ihre
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