Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hospital der Verklärung.

Das Hospital der Verklärung.

Titel: Das Hospital der Verklärung.
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
…«, flüsterte Niezgloba.
    »Nichts gibt es, keine Farben, keine Gerüche, nicht einmal Finsternis …«
    »Diese Welt gibt es nicht«, erwiderte leise der Pfarrer und wandte Stefan sein wehleidiges, abstoßendes Gesicht zu.
    Die Deutschen waren in lautes Lachen ausgebrochen. Kauters stand plötzlich auf und trat zu ihnen.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er, »aber der Herr Obersturmführer hat mir meine Papiere abgenommen. Wissen Sie nicht, ob …«
    »Sie müssen schon etwas Geduld haben«, unterbrach ihn ein untersetzter, breitschultriger Mann mit rotgeäderten Wangen. Dann unterhielt er sich weiter mit seinem Freund: »Weißt du, das war, als die Häuser schon alle brannten und ich glaubte, dort gäbe es nur noch Tote. Da rennt dir doch plötzlich mitten aus dem größten Feuerein Weib schnurstracks auf den Wald zu! Rennt wie verrückt und preßt eine Gans an sich. War das ein Anblick! Fritz wollte ihr eine Kugel nachschicken, aber er konnte nicht einmal richtig zielen vor Lachen – war das aber komisch – was?«
    Sie lachten beide. Kauters stand zunächst unbeteiligt vor ihnen. Plötzlich jedoch verzog er ganz sonderbar das Gesicht und ließ ein dünnes, meckerndes »Ha, ha, ha!« hören.
    Der Sprecher blickte unwirsch. »Sie, Doktor, warum lachen Sie? Da gibt’s doch für Sie nichts zum Lachen.«
    Auf Kauters’ Wangen traten weiße Flecke. »Ich … ich …«, stammelte er, »ich bin Deutscher.«
    Der SS-Mann musterte ihn halb von der Seite. »So? Na, dann bitte, bitte.«
    Im Flur wurden Schritte laut; das konnte nur ein Deutscher sein, so stark, sicher und fest hallten sie.
    »Sie glauben trotzdem … Pfarrer?« hauchte Stefan flehend.
    »Ja, ich glaube.«
    Ein hochgewachsener Offizier trat ein. Er war ihnen unbekannt. Die Uniform saß wie angegossen, der Schulterriemen schimmerte matt. Sein unbedeckter Kopf war lang und schmal, die Stirn edel, das Haar grau meliert. Mit seiner stahlgefaßten Brille blitzte er die Sitzenden an. Der Chirurg ging auf ihn zu, nahm Haltung an und streckte die Rechte hin: »Von Kauters.«
    »Thießdorf.«
    »Herr Doktor, was ist los mit unserem Professor?« fragte Kauters.
    »Machen Sie sich keine Gedanken. Ich werde ihn mit dem Auto nach Bierzyniec bringen. Er packt jetzt seine Sachen.«
    »Wirklich?« entschlüpfte es Kauters.
    Der andere wurde rot und schüttelte den Kopf. »Mein Herr!«
    Dann mit einem unerwarteten Lächeln: »Das müssen Sie mir schon glauben.«
    »Und warum werden wir hier zurückgehalten?«
    »Na, na! Es stand ja schon übel um Sie, aber unser Hutka hat sich doch noch beruhigen lassen. Sie werden jetzt nur noch bewacht, weil Ihnen unsere Ukrainer sonst etwas antun könnten. Die lechzen ja nach Blut wie die Hunde, wissen Sie.«
    »So?« machte Kauters erstaunt.
    »Wie die Falken … Man muß sie mit rohem Fleisch füttern«, sagte der deutsche Psychiater scherzend.
    Jetzt trat auch Pfarrer Niezgloba näher. »Herr Doktor«, radebrechte er. »Wie ist das möglich: Mensch sein und Arzt und dann Kranke erschießen, totmachen!«
    Im ersten Augenblick schien es, daß sich der Deutsche abwenden oder sich den aufdringlichen Menschen mit erhobener Hand vom Leibe halten wollte, aber plötzlich heiterte sich seine Miene auf. »Jede Nation«, sagte er in seinem tiefen Baß, »gleicht einem Tierorganismus. Die kranken Körperstellen müssen manchmal herausgeschnitten werden. Das war eben so ein chirurgischer Eingriff …«
    Er blickte über den Pfarrer hinweg auf die Ärztin. Seine Nüstern blähten sich.
    »Und Gott, Gott?« wiederholte der Pfarrer.
    Da die Nosilewska noch immer schweigend und ohne eine Bewegung dasaß, sagte der Deutsche um einiges lauter, den Blick fest auf sie geheftet: »Ich kann es Ihnen auch anders erklären. Zur Zeit des Kaisers Augustus war in Galiläa ein römischer Statthalter, der übte die Herrschaft über die Juden aus und hieß Pontius Pilatus …«
    Seine Augen loderten.
    »Herr Stefan«, sagte die Nosilewska laut, »sagen Sieihm bitte, er soll mich gehen lassen. Ich brauche keinen Schutz, ich halte es hier nicht länger aus …« Sie stockte.
    Tief bewegt – zum erstenmal hatte sie ihn mit seinem Vornamen angeredet – gesellte sich Stefan zu der Gruppe. Der Deutsche verneigte sich höflich.
    Stefan fragte, ob sie hierbleiben müßten oder gehen dürften.
    »Sie wollen fort? Alle?«
    »Frau Dr. Nosilewska möchte«, sagte Stefan ein wenig unbeholfen.
    »Ach so. Ja, natürlich. Gedulden Sie sich bitte noch etwas.«
    Thießdorf hielt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher