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Das Hospital der Verklärung.

Das Hospital der Verklärung.

Titel: Das Hospital der Verklärung.
Autoren: Stanislaw Lem
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wateten durch sumpfiges Gelände dem Wald zu. Bald waren sie von Bäumen umgeben, die immer dichter standen und immer höher zum Himmel aufragten. Ihre Füße versanken in dem dürren Laub, das wie das Wasser beim Überqueren einer Furt plätscherte. Lange waren sie so unterwegs.
    Einige Zeit später blickte Stefan auf die Uhr. Sie hätten längst am Waldrand sein müssen, von wo die Bahnstation zu sehen war. Aber er sagte nichts.
    Der Weg wollte kein Ende nehmen, sie stolperten über das Wurzelwerk, der Koffer wurde immer schwerer, ringsum aber rauschte monoton der Wald; hin und wieder schimmerte gespenstisch eine Nachtwolke durch das Gewirr der Äste.
    Schließlich machte Stefan an einem mächtigen, weit ausladenden Ahorn halt und sagte: »Wir müssen uns verirrt haben.«
    »Das glaube ich auch.«
    »Wir hätten doch die Chaussee entlanggehen sollen.«
    Stefan versuchte sich zu orientieren, aber vergebens. Die Dunkelheit wurde immer dichter.
    Die Wolken hatten inzwischen den ganzen Himmel bedeckt, der nun tief über den blattlosen, im Winde tanzenden Zweigen hing. Böen pfiffen auf den dünnen Weidenruten. Und zu diesem wimmernden Säuseln gesellte sich ein neues, prasselndes Geräusch. Es begann zu regnen.
    Sie konnten sich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten, als plötzlich ganz in der Nähe ein gedrungener Bau auftauchte, ein Schuppen oder eine Kate. Der Wald lichtete sich, und endlich traten sie auf freies Feld.
    »Das ist Wietrzniki«, erklärte Stefan. »Wir sind neun Kilometer von der Straße und elf vom Städtchen abgekommen.«
    Sie hatten einen großen Bogen in der falschen Richtung gemacht.
    »Die Bahn schaffen wir wohl nicht mehr. Da müßten wir schon einen Pferdewagen haben.«
    Er erwiderte nichts, denn daran war ja nicht zu denken. Die Bauern riegelten sich in ihren Häusern ein und machten nicht auf. Einige Tage zuvor war das Nachbardorf von den Deutschen bis auf die Grundmauern niedergebrannt worden und von seinen Einwohner keiner lebend davongekommen.
    Sie gingen von einem Hof zum anderen, klopften an Türen und Fensterläden. Alles wie ausgestorben. Ein Hund schlug an, ein zweiter fiel ein, schließlich waren sie von ständigem Gebell begleitet, das nur allmählich verklang. Am Dorfausgang stand eine einsame Kate auf einem kleinen Hügel. Ein Fensterchen war schwach erleuchtet.
    Stefan trommelte so heftig an die Tür, daß sie erbebte. Als er schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, öffnete plötzlich ein hochgewachsener Mann mit zerzauster Mähne. Nur seine Augäpfel blitzten; das Gesicht blieb im Dunkeln unsichtbar. Ein halboffenes Hemd lugte unter der nachlässig übergeworfenen Windjacke hervor.
    »Wir sind Ärzte aus dem Krankenhaus Bierzyniec und … haben uns verlaufen. Könnten wir nicht bei Ihnen übernachten?« begann Stefan, aber er fühlte, daß er nicht das Richtige sagte. Übrigens würde alles falsch sein, was immer er auch vorbrachte. Er kannte doch die Bauern.
    Der Mann stand reglos in der Tür und versperrte so den Eingang.
    »Wir hätten gern bei Ihnen übernachtet«, sagte die Nosilewska leise, wie ein fernes Echo.
    Der Bauer bewegte sich nicht.
    »Wir bezahlen es Ihnen«, lenkte Stefan ein.
    Der Bauer schwieg zwar noch immer, ging aber auch nicht weg. Stefan zog seine Brieftasche hervor.
    »Ich brauche euer Geld nicht«, sagte der Bauer plötzlich. »Wegen solcher wie euch gibt es eine Kugel.«
    »Aber wieso, wir sind doch mit Genehmigung der Deutschen weggegangen«, entgegnete Stefan. »Wir haben nur den Weg zur Bahn verfehlt …«
    »Erschießen werden sie einen, das Haus in Brand stecken, alles umbringen«, fuhr der andere unbeirrt fort, während er über die Schwelle trat und die Tür hinter sich schloß. Nun stand er, eine hohe Gestalt, im Freien. Der Regen wurde immer stärker. »Was soll man mit solchen schon anfangen«, murmelte er schließlich.
    Er schritt voraus, Stefan und die Ärztin folgten. Hinter dem Zaun stand ein strohgedeckter Schuppen. Der Bauer öffnete das Tor, das mit einer Stange verammelt war. Der Geruch von abgestandenem Heu schlug ihnen entgegen, die Luft war voll duftender Staubteilchen, die in der Nase kitzelten.
    »Hierher«, sagte der Bauer, machte nach seiner Gewohnheit eine kleine Pause und fügte dann hinzu: »Ihr könnt euch Stroh unterlegen. Aber werft mir die Garben nicht durcheinander.«
    »Wir danken Euch«, hob Stefan an. »Vielleicht würdet Ihr das Geld doch nehmen?« Er versuchte, dem Bauern einen Schein in die Hand zu
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